Die Grazer Altstadt: Ein Spaziergang durch das Weltkulturerbe

Seit 1999 ist die Grazer Altstadt mit ihrer Dachlandschaft UNESCO-Weltkulturerbe. Hier ist eigentlich immer viel los, auch abends. Dann brummen die Lokale vor Leben. Das liegt auch an den Runde 60.000 Studierenden, die häufig in der Altstadt wohnen.

Hier sind wir im Hof des Deutschen Ritterordens. Der gotische Arkadenhof ist mit „Murnockerln“ gepflastert, Kiesel, die vom Wasser der Mur glattgeschliffen wurden.

Die Stiegenkirche ist die älteste Pfarrkirche von Graz und liegt versteckt hinter den mächtigen Mauern eines ehemaligen Augustinerklosters. Man steigt zwei hohe Treppen hinauf, die schon Teil der Kirche sind, und tritt dann durch eine dicke Tür aus dem Jahr 1631 hinein in eine schlicht und modern gehaltene Kirche, vor allem von Studierenden genutzt.

Turm der Stiegenkirche; vorne in der Fassade ist die erste Treppe zu sehen.
Diese wuchtige Tür führt hinein in den eigentlichen Kirchenraum.
Diese moderne Ausstattung erwartet man nicht unbedingt.

Nicht verwechseln, es gibt neben dem Schloßberg mit der nicht mehr vorhandenen Burg in der Altstadt noch eine Burg, die wird Burg genannt und ist heute der Sitz der Steirischen Landesregierung. Außerdem beherbergt sie eine Doppelwendeltreppe, korrekt: Zwillingswendeltreppe, ein Meisterwerk spätmittelalterlicher Steinmetzkunst, die bedeutendste Treppe ihrer Form in ganz Mitteleuropa. Viele Steinmetzen waren am Bau beteiligt, der dauerte nur ein Jahr, von 1499 bis 1500 und gelang sehr detailreich.

Das neoklassizistische Rathaus am Hauptplatz ist dort im Ensemble das jüngste Gebäude, nur gut 120 Jahre alt. Während der Vorgängerbau noch mit Geldern, die aus einer extra dafür eingeführten Weinsteuer eingenommen wurden, erbaut wurde, ging den Stadtvätern beim Neubau nach der Hälfte der Bauzeit das Geld aus. Sie mussten sich bei der Sparkasse Geld leihen, die dafür im Ostflügel einziehen dürfte, mit der prestigeträchtigen Adresse Hauptplatz 1. Das Darlehen wird immer noch zurückgezahlt.

Das Landhaus beeindruckt durch die von Arkaden gesäumten Innenhöfe. Im großen Hof wird in der Adventszeit seit 1999 eine Eiskrippe, die nachts beleuchtet ist, ausgestellt. Die Eisskulptur sorgt jedes Jahr für großes Interesse bei Einheimischen und Touristen, aber auch bei den Medien. Das Schnitzen dauert ca. eine Woche, die fertige Skulptur wiegt dann ca. 45 Tonnen. In Gefrierschränken werden zudem Ersatzfiguren aufbewahrt, falls es mal zu warm werden sollte. 2003, als Graz europäische Kulturhauptstadt war, stand neben Ochs und Esel auch noch ein Bär in der Krippe. Alle rätselten, ob nun wohl die Bären zurück in Österreich seien, aber ein Biologe gab Entwarnung: das wäre kein mitteleuropäischer Bär, sondern ein Grizzlybär. Zu Ehren des berühmtesten Grazers, Arnold Schwarzenegger, der im selben Jahr kalifornischer Gouverneur wurde, wurde das Wappentier Kaliforniens in die Krippe eingefügt. Die Legende sagt, dass der Eisschnitzer zuerst Joseph die Gestalt Arnies geben wollte, davon aber abgesehen hatte, weil es wohl nicht ganz so schicklich gewesen wäre.

Hier steht in der Adventszeit die Krippe aus Eis.

Die Franziskanerkirche und das angeschlossene Kloster geben dem dicht bebauten Viertel seinen Namen. Selbst die Verkaufsstände reichen bis an die Kirchenmauer heran. Im Innenhof des Kreuzgangs ist dagegen vom Lärm rundherum nichts zu hören. Der mächtige Wehrturm passt so gar nicht zu einer Kirche eines Bettelordens. Der Turm wurde von der Stadt gebaut und bezahlt, da er einen guten Weitblick über die Mur und das gesamte Tal bietet.

Grazer G‘schichten (2): moderne Verpflegungsautomaten

Automaten, die uns das Leben erleichtern, kennen wir alle. Hier im Hotel kommt der Kaffee daraus, Geld können wir bei der Bank ziehen. Zigarettenautomaten haben wir in Graz noch nicht gesehen. Dafür geht man zum Trafikanten, das ist die Person, die einen Trafik betreibt. Das ist ein Geschäft für Fahrkarten und eben auch für Zigaretten und ähnliche Dinge des Alltags.

Automaten gibt es dennoch im Stadtbild, und was für welche!

Hier kann man sich, wenn man über 16 Jahre alt ist (nachzuweisen mit der Bankcard), ganz legal Cannabis kaufen, entweder kleine Mengen oder auch fertige Produkte. Bevor jetzt hier der Massentourismus einsetzt: das Zeug ist THC-frei! Aber trotzdem, ab 16, ganz legal.
Das Wetter scheint hier sehr oft und sehr lang (es ist übrigens grad 28 Grad) sonnig zu sein. Warum also nicht einmal etwas Spaß mit einer neuen Sonnenbrille haben? Mit 4€ ist man dabei, einfach das passende Modell ziehen.
Wie zu sehen, ist dieser Automat außer Betrieb. Ansonsten kann man sich hier saubere Spritzen kaufen.
Bei diesem Automaten investieren wir tatsächlich die 20 Cent.

Und heraus kommt, nach etwas Ruckeln und Zuckeln am Automaten, ein Auge, riecht aromatisch, aber bisher haben wir uns noch nicht getraut, hinein zu beißen. Das Auge wird wohl nach Deutschland ausgeführt werden.

Grazer Schlossberg: Über den Dächern der Stadt

Das Touristbüro gibt eine Broschüre mit drei Stadtspaziergängen heraus, wir wählen die Bergroute. Graz liegt sehr flach im Grazer Becken und ist von drei Seiten von Bergen umgeben (nur im Süden nicht, da wo der Flughafen ist). Mitten im Stadtgebiet ragt allerdings 123 Meter über dem Hauptplatz der Schlossberg auf, eine markante Landmarke, insgesamt 473 Meter über Normalnull. Unterschiedliche Wege führen hinauf, mit der Bergbahn, dem Lift oder zu Fuß.

Eingang zum Lift, Tickets gibt es aus dem Automaten

Letzteres sparen wir uns für den Rückweg auf, hinauf geht es für uns mit dem Gläsernen Lift, der auf der Fahrt einen Blick auf das Dolomitfelsgestein zulässt. Viel ist nicht zu sehen, schon ist man oben. Wir treten am Wahrzeichen der Stadt, am Uhrturm wieder ins Freie und gehen weiter bergan zum Schloss hoch.

Vor mehr als 1000 Jahren stand hier schon eine kleine Burg, gradec im Slawischen, die der Stadt ihrem Namen gegeben hat. Im 16. Jahrhundert baute man sie zu einer mächtigen Renaissancefestung aus. Es wurde die stärkste Festung aller Zeiten inklusive Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde, denn sie wurde niemals erobert. Auch nicht von Napoleon, der musste 1809 zu anderen Mitteln greifen, nachdem seine Mannen die Burg monatelang belagert und insgesamt acht erfolglose Sturmangriffe mit mehr als 3000 Mann durchgeführt hatten. Napoleon besetzte die Hauptstadt Wien und drohte damit, sie komplett zu zerstören. Daraufhin musste sich Graz ergeben, die Wiener sicherten das vertraglich zu (wahrscheinlich ohne die Grazer vorher zu fragen). Die Bürger kauften allerdings den Glockenturm und den Uhrturm für 2978 Gulden und 41 Kreuzer frei, der Rest der Anlage musste von ihnen selbst komplett geschliffen werden (Napoleons Rache).

Glockenturm, 1588 erbaut, mit der berühmtesten Grazer Glocke, der „Liesl“, 1587 aus 101 türkischen Kanonenkugeln gegossen, wiegt knapp 5 Tonnen. Die Glocke schlägt dreimal täglich jeweils 101 Schläge!
Ein Major Hackher verteidigte die Burg mit 17 Offizieren und 896 Soldaten gegen Napoleon. Ihm zu Ehren wurde der Hackher-Löwe aufgestellt.
Blick auf die Stallbastei; sie wurde früher als Gefängnis, Kanonenplattform und Vorratslager genutzt. Die Mauern sind 6 Meter dick und 20 Meter hoch.

Auf der Burg gab es immer genügend Wasser, wahrscheinlich der wichtigste Grund, warum auch lange Belagerungen nicht von Erfolg gekrönt waren. Oberhalb des Glockenturms befindet sich eine große Zisterne (1544-47 gebaut), in der das Regenwasser der umliegenden Gebäude (die es jetzt nicht mehr gibt) gesammelt wurde. In einem 16 Meter tiefen Kessel befinden sich kreisförmig angeordnet fünf Brunnenschächte mit jeweils 3,6 m Durchmesser. Unterhalb der Stallbastei wurde etwas später (1554-58) noch ein 94 Meter tiefer Brunnen gegraben, der die Burganlage mit Grundwasser des Flusses Mur versorgte.

Pavillon oberhalb des Glockenturms auf der großen Zisterne
der Tiefe Brunnen unterhalb der Stallbastion
Der Ausblick auf die Stadt mit ihren roten Dächern ist sehr schön.

Schließlich kommen wir zum Uhrturm, einem der ältesten Gebäude Graz, an der höchsten Stelle der Stadtmauer gelegen. Der ursprünglich mittelalterliche Wehrturm erhielt seine heutige Gestalt um 1560, der hölzerne Umgang diente der Feuerwache. Es gibt auch eine Feuerglocke (im Bild rechts). Die beiden anderen Glocken sind die große Stundenglocke und die ganz kleine Armesünderglocke.

Blick von der Bürgerbastei hoch zum Uhrturm.

Hinunter geht es dann über die Schlossbergstiege mit ihren rund 260 Stufen. Der Weg führt am Herbersteingarten vorbei, einer Terrassenanlage mit mediterraner Bepflanzung (Feigen-, Zitronen-, Granatapfel- und Gingkobäumen).

Dann gibt es eine wohlverdiente Pause mit Orange-Ingwer-Limonade und schnellem Internet im Café Leopold unterhalb des Schlossberges.

Grazer G‘schichten (1): „The Best Ice-Cream in The World“

Das Klima in Graz ist vom Mittelmeer her bestimmt, wir haben daher noch eine Verlängerung unseres persönlichen Super-Sommers um eine knappe Woche erhalten. Was passt da besser, als zwischendurch immer mal wieder ein Eis zu essen. Auf der Herrengasse kommen wir an einem Eisladen vorbei, da wissen wir noch nicht, dass wir an DEM Eisladen sind.

Aber die Aufschrift „Das berühmte, originale Temmel-Eis“ reizt dann zum Ausprobieren. Mal sehen, ob es den Vergleich zum eigenen, besten selbstgemachten Eis in der nördlichen Hemisphäre standhalten kann.

Schokolade und Amarenakirsch

Ja, kann es! Das Amarenaeis ist genauso gut wie mein eigenes. Nur das es hier aus unerfindlichen Gründen Kirschjoghurt heißt und deren Kirschjoghurteis in Wirklichkeit Amarenaeis ist, und das auch bei wiederholtem Besuch, liegt also nicht an den Angestellten, sondern scheint eine sprachliche Unschärfe zu sein (ich sag nur Karfiol und Sackerl, respektive Blumenkohl und Einkaufstüte).

Kirschjoghurt – mit echten Amarenakirschen; oder war es Zitrone-Holunder? Egal, ist beides sehr lecker.

Ein Eis ist nach der österreichischen Schlagerkönigin (so steht es in den heimischen Medien) Monika Martin benannt (Monika-Martin-Limited-Edition). Sie liebt das Temmelsche Heidelbeereis und wünschte sich für ihre Fans ein paar Schokoherzchen darunter gemischt (was für eine kitschige Story). Es wurde dann aber doch Schokoeis und 2017 wurde dann die neue Sorte im Operncafé gemeinsam vorgestellt, wahrscheinlich auch mit Gesangsproben (das möchte ich mir nun gar nicht vorstellen). Aber das Eis schmeckt gut, ist Blaubeer-Schoko-Eis (für nicht Schlagerfans).

Der Eigentümer Charly Temmel macht seit 1986 sehr erfolgreich Eiscreme und ist nun ein echter Steirer, so wie sein Kumpel Arnold, der in seinem Metier ja auch sehr erfolgreich ist. Und so wie sein Kumpel Arnold vor ihm wandert auch Charly in die USA nach Los Angeles aus, 1995 war das, ihm gefiel das Land einfach so großartig und er suchte die Herausforderung. Als erstes ließ er sich den Slogan „The Best Ice-Cream in The World“ patentieren, da die Amis auf so etwas stehen, sagt er. Danach machte er sich an die Realisierung des Slogans. Sein Ziel ist es immer noch, jeden Supermarkt in Amerika mit seinem Eis zu beliefern. Good Luck with that! Noch ist er nicht soweit. Aber in den drei größten Tankstellenketten kann man sein Eis überall kaufen. Die eigene Eisfabrik steht in Phoenix/ Arizona.

Hilfreich ist in der Zeit natürlich sein Kumpel Arnold, der in der Zwischenzeit mit Freunden das Restaurant Schatzi on Main in L.A. aufgemacht hat, die celebrities strömen nur so hinein. Das Temmel-Eis wird dort auch serviert. 1998 verkaufte Arnold seine Geschäftsanteile am Restaurant an Charly, der es immer noch führt und in dem Arnold mit seinen Freunden auch immer noch zu Gast ist und zum Eis eine gute Zigarre genießt.

In Österreich läuft das Geschäft auch sehr gut, jetzt im Sommer ist der Charly auch hier in Graz in seinem Büro im ersten Stock in der Herrengasse. Aber acht Monate lebt er in L.A., da ist der Lifestyle einfach toll. Das ist mit genügend Geld in der Tasche auch sehr gut vorstellbar.

Im ersten Stock ist Charly grad nicht zu sehen.

Spätsommerfest im Österreichischen Skulpturenpark

Diese Karte haben wir in einem Restaurant gefunden.

Da wollen wir hin, liegt zwar außerhalb von Graz, ca. sieben Kilometer südlich, aber es gibt ja Öffis. Sonntag fährt anlässlich des Festes ein Shuttlebus vom Kunsthaus aus, aber der Anmeldeschluss war ein Tag bevor wir in Graz ankamen. Das erschüttert uns nicht, vielleicht sind kurzfristig zwei Plätze freigeworden. Wir fragen im Kunsthaus nach: leider ausgebucht! Aber die Damen gucken im Internet nach und verraten uns, von wo aus welcher öffentliche Bus wann dorthin fährt. Das kann ja nicht so schwierig zu finden sein, wir haben ein Smartphone und auch einen papiernen Stadtplan. Ist aber doch schwierig. Der Jakominiplatz, ein zentraler Straßenbahn- und Busknotenpunkt wird umgebaut, Haltestellen sind verlegt worden. Der Info-Mensch kennt sich nur mit den Straßenbahnen aus, nicht mit den Bussen. Eine gerade Pause machende Busfahrerin weist uns den Weg. Als wir schließlich die Haltestelle in einer vom Platz abgehenden Straße finden, fährt zur angegebenen Zeit der Flughafenshuttle ab. Aber dessen freundlicher Fahrer zeigt uns, wie hier die Fahrpläne zu lesen sind. So haben wir noch eine Stunde Zeit, die wir bei einer kühlen selbstgemachten Limonade und sehr schnellem WLAN im Café Sorger im Schatten verbringen.

Dann geht es zum richtigen Bus – und auf ins Abenteuer! Es fahren nicht viele Personen mit, glücklicherweise erwähnt eines der Kinder lauthals, dass es zum Skulpturenpark fährt. Also beschließen wir, erst dann auszusteigen, wenn auch das Kind mitsamt Eltern aussteigt. Guter Entschluss, denn wir gondeln eine Dreiviertelstunde durch Vororte, am Flughafen vorbei (so wissen wir auch jetzt, wo dort die Bushaltestelle ist), durch weitere Orte, an vielen Maisfeldern entlang, durch Industriegebiete und kommen schließlich gefühlt im Nirgendwo an. Dort gehen wir der Familie hinterher und kommen tatsächlich dort an, wo wir hinwollten.

Das Spätsommerfest findet anlässlich der Präsentation eines neu geschenkten Werkes von Günter Damisch statt:

DichteDichter II, 1991/2013

Der Skulpturenpark selbst umfasst ca. sieben Hektar Fläche und zeigt mehr als 70 Werke österreichischer und internationaler Künstlerinnen und Künstler, hier z.B. ein Werk von Yoko Ono:

Painting to Hammer a Nail in/Cross Version, 2005

Das Gelände ist auf einem Teil der Internationalen Gartenschau 2000 entstanden und wurde 2003 eröffnet, als Graz Kulturhauptstadt Europas war.

Vor dem Berggartencafé liegt ein schöner Teich mit Lotusblüten. Wenn man auf einer bestimmten Bank Platz nimmt (dort stehen etliche Bänke), entwickelt sich aus dem Gewicht des Körpers heraus eine Wasserfontäne, je schwerer der Körper, desto höher die Fontäne:

Did I miss something, 2002 des Dänen Jeppe Hein

Hinter dem Café findet das Kinderprogramm statt, wo sie selbst Skulpturen bauen können:

Die gelbe Skulptur links ist die von dem Kind, das uns hierher „geführt“ hat. Es lehnt mit anderen Werken an der „Mauer“ von Lois Weinberger (1992).

Die Kinder nutzen etliche Kunstwerke auch einfach zum Spielen, wie hier den überdimensionalen Koffergriff der Skulptur „Die Erdkugel als Koffer“ von Peter Weibel (2004):

Links davor ist „Sole d‘acciaio“, 1989 von Ilija Šoškić zu sehen.
Asoziale Tochter, 2004 von Tobias Rehberger
Airplane Parts and Hills, 2003 von Nancy Rubins
Die älteste Skulptur im Park: Atlantis 1940-1944 von Herbert Boeckl

Um 18:00 Uhr sind wir müde und Kunst gesättigt und nehmen den Bus zurück. Diesmal nimmt er eine andere Route (vielleicht sitzen wir auch in einer anderen Linie), fährt dafür einen Weg doppelt, um eine alte Dame nach Hause zu fahren (der Busfahrer erhält dafür einen Muesliriegel von ihr, „Vergelt’s Gott!“), es geht durch noch mehr Maisfelder zum Flugplatz, wo wir gefühlt alle Passagiere des gerade angekommenen Fliegers einsammeln, um dann durch Dörfer, Vororte und Industriegebiete nach einer Stunde wieder in Graz ankommen.

Wie sagte eine Mutter zu ihren Kindern, als sie am Skulpturenpark auf die Räder stiegen: „Das war ein ganz toller Tag heute, gell!“ – Stimmt!

Bushaltestelle, optisch ein bisschen aus der Welt gefallen.

Welcome to Graz

Graz, die Landeshauptstadt der Steiermark (Styria auf Englisch), ist mit knapp 290.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Österreichs. Das bemerkt man auf jeden Fall schnell beim vielfältigen und internationalen gastronomischen Angebot im IV. Bezirk Lend, in dem wir untergekommen sind.

Die Stadt präsentiert sich schon bei einem ersten Rundgang sehr vielfältig. Beiderseits des Flusses Mur gelegen, ist die Altstadt UNESCO Weltkulturerbe. In der Mur liegt die künstliche Murinsel mit Open Air Bühne, Café und Shop.

Der Hauptplatz mit dem Erzherzog-Johann-Brunnen ist gerade Schauplatz eines Lesefestivals. Überall gibt es bequeme Sessel, Sitzsäcke und auch Hängematten. Bücherregale mit Lesefutter stehen bereit. Auf einer kleinen Bühne ist Platz für Lesungen.

Der Hauptplatz ist umrahmt von Bürgerhäusern und Stadtpalais.

Die beiden Luegg-Häuser mit ihrer stuckverzierten Fassade.

Hier steht auch der berühmte Herzogshof, auch das gemalte Haus genannt, weil die gesamte Fassade gemalt ist, und das schon seit 1600. Die heutige Bemalung stammt von 1742 und zeigt griechische und römische Götter.

Die an den Hauptplatz anschließende Herrengasse ist eine Prime-Shopping-Adresse, aber auch Sitz des Steiermärkischen Landtages, der im Landhaus tagt. Das Haus selbst ist der erste Renaissancebau in Graz. Schräg gegenüber steht die Grazer Stadtpfarrkirche mit ihrer Barockfassade.

Die zerstörten Fenster wurden von dem im Dritten Reich als entartet geltenden Künstler Albert Birkle gestaltet. Er zeigt Hitler und Mussolini an der Seite der Peiniger Christi in einem der Fenster, ein Skandal in den 1950er Jahren.

Altar Raum der Stadtpfarrkirche

Und dann gibt es gleich neben unserem Hotel einen Aldi, der in Österreich Hofer heißt, aber das Logo von Aldi Süd trägt. Davor stehen Menschen mit aufgestapelten Bananenkisten, zum Teil schon voll, viele noch leer. Eine junge Frau der örtlichen Pfarrei verteilt Zettel mit Bitten um Lebensmittelspenden für Bedürftige. Wir decken uns mit Wasser, Naschis und Chips ein, kaufen ein Paket Kaffee extra, das tut unserem Portemonnaie nicht weh. Der Kaffee landet im Bananenkarton und wir vor dem Fernseher in unserer Hotelkemenate. Die Ausmaße des Zimmers haben verdächtig Ähnlichkeit mit dem Wohnmobil.

Off we go again!

Diesmal geht es nach Graz in Österreich, wir schieben ein verlängertes Wochenende vor eine Dienstreise und so wie es aussieht, fliegen wir noch einmal in den Sommer.

Aber zunächst geht es mit dem Flieger von Hamburg nach München. Sonnabend morgens, der Zubringerbus fährt schon um 5:15 Uhr ab. Die Discos haben noch geöffnet und es ist unerwartet viel los auf Kiels Straßen. Man kennt so etwas ja gar nicht mehr, wenn man ruhig und still in der nächtlichen Lärmkulisse des Erntemaschineneinsatzes (Maisernte steht aktuell an) auf dem Land wohnt.

Der Abflug aus Hamburg ist sehr schön, Alster und Elbe glitzern im strahlenden Sonnenschein. Die Fontäne in der Binnenalster ist noch ausgeschaltet. Die Elbphilharmonie und die Speicherstadt sehen winzig aus gegenüber dem Airbusgelände in Finkenwerder oder den Anlagen des Containerterminals auf der Südseite der Elbe. Autos strömen kontinuierlich aus dem Elbtunnel hinaus und in ihn hinein.

Wir wollten beim Boarding das Self-Check-In-Gerät nutzen, aber das wollte unsere mobile Bordkarte nicht lesen. Also ans Ende der anderen Schlange (die war natürlich etwas länger) angestellt. Siehe da, wir bekamen einen neuen Sitzplatz zugewiesen und fanden uns in Reihe vier, direkt hinter der Business Class wieder, nur durch einen schön in Falten gelegten Vorhang von ihr abgetrennt. Beim take-off hatte man die Anmutung, unter den blauen Faltenrock der Person vor einem auf der Treppe zu gucken.

Die erste Klasse ist nun also nur fünfzig Zentimeter von uns entfernt und wir können quasi hautnah berichten, wie die Unterschiede sind, trotz zugezogener Vorhänge. Zunächst einmal gibt es viel mehr Beinfreiheit, wobei wir schon das Gefühl von viel Platz in der Economy Class haben. Wir fliegen nämlich nicht mit einem der Billigflieger, sondern mit Lufthansa.

Für uns gibt es ein Mandel Tartlet (ist ein großer Keks, mit immerhin ganzen 2% Mandelanteil! und 26 weiteren Bestandteilen, es ist schon bedenklich, das zu verzehren) zum Getränk aus Papp- bzw. Plastikbecher. Das ist für uns auch ausreichend, denn wir haben bereits im Flughafen unser mitgebrachtes Frühstück verzehrt. In der ersten Klasse hingegen beginnt das große Klappern. Nicht vor Angst, sondern es gibt Frühstück auf Porzellan mit Metallbesteck, komplett mit Orangensaft, Erfrischungstuch und einem weiteren Becher Kaffee. Letzterer wäre nach dem trockenen „Mandel“keks auch für uns eine feine Idee, aber bei uns wird schon wieder abgeräumt statt nachgefragt. Wir genießen stattdessen schon wieder die sonnige Aussicht auf Deutschland.

In München haben wir drei Stunden Aufenthalt. Die Zeit vertreiben wir uns mit viel Kaffee und dem ausgiebigen Lesen der Süddeutschen Zeitung. Endlich hat man mal Ruhe zum Lesen, kein Einkauf und keine Arbeit im Garten steht dem im Wege. Hier auf dem Airport könnten wir auch ein bisschen Schlaf nachholen. Es gibt am Gate G06 sogenannte napcabs, Kabinen mit einem Bett, Internetzugang, Klimaanlage, sofort beziehbar mit Kreditkarte. Ein anderes Plakat wirbt mit „Zeit zum Ausruhen, Ruhe zum Arbeiten und Gelegenheit für ein bisschen Privatsphäre“. Wofür man letzteres gut nutzen könnte, bleibt der Fantasie der geneigten Leserschaft überlassen. Auf dem Foto ist die rechte Kabine tatsächlich belegt. Zwei Stunden kosten 30€, moderne Form eines Stundenhotels.

Napcabs next to Gate 06 in Munich, 30€ for 2 hours of …

Nach Graz gehts weiter in einem kleinen City Hopper, bei dem die Gepäckfächer zu klein sind für die üblichen Handgepäckskoffer, die kommen auf dem Rollfeld direkt in die Ladeluken. Auf diesem Flug gibt es den Keks bereits an der Tür, diesmal eine Schokoladenwaffel mit Kakao-Erdnuss-Creme. Hier beträgt der Schokoladenanteil immerhin 63%, Erdnussmasse beträgt ganze 0,9%. Dafür besteht die Schokolade aus unglaublichen elf Zutaten, dazu kommen dann noch die anderen 16 Bestandteile, die die Waffel zur Waffel machen. Sieht aber ausgewickelt gut aus und schmeckt.

Tasty, but do not read the list of ingredients!

Dann noch ein kleiner Fußweg zum Bahnsteig (angeblich 350m, aber das war die Entfernung zum nächsten Hinweisschild) auf einem Betongehweg neben der Straße, links und rechts Maisfelder, und nach ca. 10 Minuten sind wir am Hauptbahnhof, weitere 5 Minuten mit dem Bus später im Hotel.

PS: Woran merkt man, dass man doch älter wird? Nicht nur daran, dass die Polizisten immer jünger aussehen, sondern auch daran, dass Copiloten jetzt Janosch heißen 😆