Husum, die gar nicht so graue Stadt am Meer (2)

Nun steht unser Wohnwagen schon seit einigen Tagen wieder auf seinem Stammstellplatz, und wir sind ins Haus gezogen. Der Novemberregen weht in dichten Schwaden über die Wiesen, wir sehen uns das vom Sofa aus an und freuen uns schon auf die nächste Reise in ein paar Wochen in die Sonne.

Überraschenderweise scheint diese trotz momentaner Weltuntergangsstimmung vor dem Fenster doch auch noch über Schleswig-Holstein, man muss sie nur finden. Wir fahren nach Husum.

Theodor Storm, hier als blauer Scherenschnitt vor dem Stormhaus, setzte Husum mit seinem berühmten Gedicht „Die Stadt“ von 1851 ein literarisches Denkmal:

Am grauen Strand, am grauen Meer und seitab liegt die Stadt; Der Nebel drückt die Dächer schwer, und durch die Stille braust das Meer eintönig um die Stadt. (1. Strophe)

Und genau hier ist es, im Gegensatz zu weiten Teilen des Landes, gar nicht grau und neblig. Das Auto stellen wir zentral hinter dem Hafen ab, der Weg in die Innenstadt führt über eine Holzbrücke über das Hafenbecken.

Es ist sogar viel Wasser im Hafenbecken. Normalerweise erwischen wir bei unseren seltenen Besuchen die Ebbe, die wenigen Schiffe liegen dann ein paar Meter unterhalb der Kaimauer auf dem Schlick.

Das Rathaus auf dem ehemaligen Gelände der Husumer Schiffswerft im Binnenhafen leuchtet in der Sonne. Das macht doch gleich Appetit auf ein leckeres Fischbrötchen mit Matjes.

Auf dem Marktplatz wird bereits der Weihnachtsmarkt aufgebaut. Das Wahrzeichen Husums, die „Tine“, erschaffen vom Husumer Bildhauer Adolf Brütt, steht schon unter einem Zelt aus Lichterketten. Im Dunkeln sieht das bestimmt sehr stimmungsvoll aus, wir sollten dann noch einmal wiederkommen. Die Stadtkirche St. Marien im Hintergrund gilt als eines der bedeutendsten Werke des Klassizismus in Schleswig-Holstein.

Man kann einen langen Stadtrundgang auf Storms Spuren machen, dafür ist es uns allerdings trotz Sonnenscheins zu kalt. Wir begnügen uns mit einem Blick auf sein letztes Wohnhaus in Husum in der Wasserreihe mit dem kleinen, auch im November hübschen Garten. Hier ist das Museum untergebracht, nebenan findet man das Storm-Archiv.

Im Innenhof des Archivs finde ich dann noch alte Bekannte:

Hänsel und Gretel mit der Hexe stehen hier als kleine Holzfiguren. Vor ein paar Wochen trafen wir in Höxter auf sie, dort in Bronze gegossen (s. Eintrag vom 11.10.2021).

Trotz Sonnenschein wird es uns nun endgültig zu kalt, wir machen uns wieder auf den Weg ins Warme, zu Kaffee und Kuchen.

Eine Rad- und Genusstour durch die Hohe Heide

Die Fahrräder hingen die ganze Zeit brav am Wohnwagen, im Schwarzwald war es uns einfach zu anstrengend, sie zu nutzen. Dort waren zwar viele Menschen mit Rädern unterwegs. Wenn man genauer hinsah, handelte es sich fast ohne Ausnahme um e-bikes. Unsere Räder müssen noch mit eigener Kraft getreten werden.

Aber nun, quasi am letzten Tag dieser Tour, kommen die Fahrräder doch noch zum Einsatz. Am Ende wissen Popo und Oberschenkel dann auch, was sie gemacht haben, 25 km mal eben so ist eben doch nicht so easy. Erst im Nachhinein merken wir, dass wir im Teilgebiet Hohe Heide durch die Ausläufer der Endmoränen gefahren sind. Es gibt auch viel flachere Gebiete in der Lüneburger Heide.

Es geht los mit einer Kursänderung. Der Weg entlang der Landes- und Bundesstraßen erscheint uns zu langweilig, obwohl die Fahrradwege in den letzten Jahren mit EU-Mitteln gut ausgebaut worden sind. Wir entscheiden uns für die eher landwirtschaftlich genutzten Wege. Natürlich kommt der Wind, wie in Norddeutschland üblich, genau von vorne, aber wir haben einen trockenen Tag erwischt. Etliche Traktoren und ein LKW, der Gülle transportiert, kommen uns entgegen. Während bei uns zuhause am Feldrand zur Zeit die Zuckerrüben unter Planen liegend auf ihren Abtransport warten, sind es hier die Heide-Kartoffeln.

Dann führt unser Weg durch den Wald. Die breiten Wirtschaftswege sind bestimmt gut zu befahren, wenn es nicht (wir haben Mitte November) vorher ausgiebig geregnet hätte. So sind die Pfützen zum Teil riesig und tief, die Ränder entsprechend schlammig. Der Rest des Bodens ist, bis auf die verdichtete Fahrspur, von Wildschweinen zerwühlt worden. Sicherheitshalber sind wir sehr laut, wir wollen nicht, dass die wilden Schweine noch unseren Weg kreuzen.

Der Weg zum Tütsberg (108,5m) ist geteert, in keinem guten Zustand und führt gefühlt ewig geradeaus. Später wissen wir, dass eigentlich alle Wege und Straßen in der Gegend am liebsten lange geradeaus führen (und einige Autofahrer zu waghalsigen Überholmanövern verleiten). Der Gutshof auf dem Tütsberg wird vom Verein Naturschutzpark in ökologischer Landwirtschaft betrieben. Das Hotel mit seinem Restaurant ist sehr empfehlenswert (wir waren vor sechs Jahren schon einmal dort).

Und dann geht es endlich in die Heide.

Auch ohne die lila Blüten ist es sehenswert hier. Und ruhig, und leer, und manchmal schafft es die Sonne auch, uns ein paar Strahlen zu schicken. Der Tütsberg ist eine Wasserscheide. Im Norden entspringt die Wümme und fließt in die Weser; im Osten entspringt die Brunau und fließt in Luhe und Elbe; im Westen entspringt die Böhme und fließt in die Aller.

Wir folgen der Beschilderung für die ‚Heideschleife‘, bis wir nach Overhaverbeck kommen.

Dort freuen wir uns schon auf Kaffee und Kuchen. Aber nein, nicht einmal am Wochenende hat hier etwas geöffnet, wir kommen wirklich in der off-off-season.

Dann eben weiter, diesmal frisch geteerter Fahrradweg, wir überqueren die Brunau. Ah, wir fahren also Richtung Osten. Es geht bergab bis nach Behringen. Dort gibt es eine Metzgerei, die für ihre Schnucken- und Wildprodukte berühmt ist. Wir haben Glück, die Mittagsruhe ist gerade vorbei. Wir haben Pech, der Laden ist wirklich beliebt. Wir stellen uns ganz hinten an die Warteschlange draußen an. Die anschließende Ausbeute ist gut.

Das Café Seeterrasse am Brunausee hätte nun geöffnet, doch die Wartezeit an der Schlachterei und die Winterzeit hat unseren Zeitplan etwas in Bedrängnis gebracht. Wir düsen die restlichen acht Kilometer an den Landes- und Bundesstraßen entlang zurück, ganz langweilig immer geradeaus. Das einzig aufregende sind die Kreisel, die zum Vorfahrtbeachten und Richtungswechsel zwingen.

Warum haben wir es auf einmal so eilig? Nach einer kurzen Erholungsphase mit Tee und Keksen im Wohnwagen fahren wir wieder zum Tütsberg zurück, diesmal allerdings mit dem Auto. Wir wollen Schnucken essen gehen. Das klappt, wir haben im Vorwege reserviert.

Es gibt Schnuckenbratwurst mit einem Detmolder Thusnelda-Bier:

der Heideteller

Das Bier schmeckt trotz seines fragwürdigen Etiketts und Namens gut.

Und zum Abschluss ein Glas Gin, Wortspiel inklusive:

Kay entscheidet sich nach seinem Wildsauerfleisch mit Bratkartoffeln lieber für den Buchweizenpfannkuchen:

Äpfel säumen ihren Weg

Die Lüneburger Heide ist in dieser Jahreszeit einfach nur hochnebelig, menschenleer und herbstfarben. Wir machen eine kleine Wanderung durch die Felder. Eigentlich wollten wir nur den Trampelpfad finden, von dem die Bäckereiverkäuferin uns erzählte („ein Stückchen die Straße entlang, dann kommt der Trampelpfad zum Campingplatz“). Auf dem Rückweg vom Bäcker fanden wir zwar schon einen Grasstreifen, der als Trampelpfad herhalten konnte. Er führte auch zum Campingplatz, endete allerdings an den Hecken. Das war wohl nicht der richtige.

Da hinten, vor den Bäumen, steht unser Wohnwagen.

Nun starten wir auf dem Platz, finden den Pfad, sehr matschig, denn er führt zwischen zwei Pferdekoppeln hin zum Reiterhof. Den Weg zum Bäcker kennen wir jetzt schon, also gehen wir kurzentschlossen in die andere Richtung. Kay hat maps.me auf dem Mobiltelefon dabei, damit finden wir immer einen Weg (zurück).

Die Wirtschaftswege führen uns vorbei an abgeernteten Feldern, schon wieder bestellten Feldern, Feldern mit Gründünger drauf und Weihnachtsbaumplantagen.

Entlang letzterer stehen eine Menge unterschiedlicher Apfelbäume, und nicht alle Äpfel sind abgeerntet. Eine gute Gelegenheit, sie zu probieren, Kay hat sein Taschenmesser griffbereit. Fallobst wollen wir nicht essen, wir pflücken die Reste von den Bäumen. An einigen Stellen wissen wir dann, warum unsere Vorgänger sie haben hängen lassen – Brennnesseln und Brombeerranken. Die Äpfel changieren in Abstufungen zwischen sehr sauer (gut für Apfelkuchen) und sehr lecker.

Nach einer Weile kommen wir am Hof Lehmberg vorbei. Wenig Menschen um sich herum zu haben, ist zwar ganz schön, besonders in Covid-Zeiten, aber so einsam möchten wir auch nicht leben.

Wir kommen wieder auf die Teerstraße, aber ewig geradeaus zu gehen ist langweilig. So biegen wir bald wieder am Waldrand ab, immer parallel zur Haesbeck, bis wir wieder am Campingplatz ankommen. Ein netter Nachmittagsspaziergang von vier Kilometern.

Timmerloher Weg

Vom Rhein an die Haesbeck

Wir sind weitergefahren. Der Stellplatz direkt am Rhein war auf den ersten Blick wirklich klasse, egal, wie piefig der Platz sich sonst darstellte. Aber er ist nichts für uns, denn der Rhein war nicht romantisch, sondern viel zu laut.

Direkt hinter unter uns fließt der Rhein, hier fast ohne Schiffe.

Man muss sich das im Querschnitt so vorstellen, denn es ist nicht auf ein Foto zu bannen: Berge/Hügel – B9 (zweispurig) – Bahnschienen (zweigleisig) – städtische Bebauung – Campingplatz – Rhein mit starkem Schiffsverkehr in beide Richtungen – Bahnschienen (zweigleisig) – B42 – Siebengebirge.

Die Güterzüge sind sehr lang und fahren Tag und Nacht und quietschen gern. Die Großen Rheinschiffe, so die Typenbezeichnung, fahren Tag und Nacht mit tuckernden Dieselmotoren. Der Berufsverkehr auf den Bundesstraßen beginnt morgens gegen fünf Uhr. Die Hügel und Berge rundum reflektieren den Lärm.

Kurz gesagt: sieht hübsch aus, schläft sich aber nicht gut.

Wir sind durch das Bergische Land gefahren, die immer wieder angekündigten Staus waren sich kilometerlang stauende LKWs auf der rechten Spur. Unser Gespann fuhr mit seiner kleinen Anhängerlast und der großen Motorleistung auf der mittleren Spur links an ihnen vorbei. Es gab nur wenige Baustellen, und wir nutzten die Zeit zwischen Berufs- und Feierabendverkehr. Nun sind wir in der Lüneburger Heide angekommen, mittendrin. Der Campingplatz ist in der Nachsaison ziemlich leer, auch hier haben wir einen Platz mittendrin in der Leere bekommen.

Stellplatz direkt neben dem Barockgärtchen

Die erste Nacht war himmlisch ruhig, kein Tuckern, kein Rauschen, kein Quietschen. Nichts! Am nächsten Vormittag bleibt die Ruhe, wir erkunden den Platz, auf dem nach-nach-saisonale Zustände und Umbaumaßnahmen, die wir sehen aber nicht hören können, herrschen. Nur die Mini-Schweine sind aktiv, machen aber auch nur Mini-Grunzer.

Die Menschenleere ist von Vorteil, denn auf dem Weg zum Bäcker rutschen mir die gefalteten Geldscheine aus der Hosentasche. Der Natur-Bäcker hat auch gar nicht geöffnet (nur FR, SA, SO), aber die Backvorbereitungen laufen, und die nette geschäftstüchtige Frau verkauft uns leckere gefüllte Kekse. Nur, wir können sie nicht bezahlen!

Also schnell auf den Rückweg gemacht und 300 Meter später findet sich das kleine Geldbündel auf dem nassen kombinierten Fuß-/ Fahrradweg wieder an. Glück gehabt, die Kekse sind unsere. Und sie schmecken sehr, sehr lecker!

Das Bächlein ist übrigens die Haesbeck, sie fließt mitten durch das Campingplatzgelände.

Was Schönes in Remagen

Remagen besteht aus dem Stadtkerngebiet (s. vorheriger Beitrag) und sieben eingemeindeten Ortsteilen. In einem davon, Rolandseck, steht das wohl einzige Kunstmuseum mit Gleisanschluss, das Arp-Museum.

Das 1856 fertiggestellte spätklassizistische Bahnhofsgebäude verfiel Mitte des 20. Jahrhunderts und wurde 1964, kurz vor dem geplanten Abriss, von einem Bonner Galeristen „gerettet“ und steht seit 1981 unter Denkmalschutz. Seit 2000 ist dort im Untergeschoß der großzügige Eingangsbereich des Museum untergebracht (und es donnert ordentlich, wenn die Züge am Bahnhof ein-, durch- und abfahren), darüber befinden sich die Bildhauerwerkstatt, das Bistro und Festräume.

Hans Arp, Ptolomäus III, 1961
Auguste Rodin, Der Denker, 1903

Schon hier sind Skulpturen ausgestellt, die Teil der aktuellen Ausstellung ‚Rodin / Arp‘ sind. Sie stehen sich gegenüber und verdeutlichen den Wandel von der Figuration hin zur Abstraktion der Skulptur. Weiter geht es durch einen langen Tunnel, quasi in den Berg hinein, um dann noch mehrere Treppen nach oben zu steigen.

unter den Gleisen durch

Hier gibt es Skulpturen und Plastiken vom Mittelalter bis 1900 zu sehen. Der Querschnitt durch die klassische Bildhauerei bereitet einen quasi auf die Rodin-Arp-Austellung vor, die beide die Bildhauerei innovativ veränderten.

Paolo Troubetzkoy, Elin Troubetzkoy im japanischen Kostüm, ca. 1906

Weiter geht es durch einen verglasten Gang, der Blicke in den Garten (eher Hänge) gewährt und durch den nächsten Tunnel in den Berg hinein. Dieser Tunnel erinnert an einen Bahntunnel und wird beleuchtet durch eine Licht-Skulptur.

Barbara Trautmann, Kaa, 2007

Der Tunnel verbindet den Bahnhof Rolandseck mit dem neuen Gebäudekomplex, entworfen vom amerikanischen Architekten Richard Meier. 2007 war das Gebäude fertig und wurde von der Bundeskanzlerin und dem damaligen Ministerpräsidenten eröffnet. Einen guten Eindruck von der Architektur bekommt man auf der Webseite des Museums: https://arpmuseum.org/museum/unser-haus/architektur.html

Hinauf fährt ein verglaster Fahrstuhl in einem wirklich sehenswerten Schacht, den man allerdings auch mittels 230 Stufen erklimmen kann. Wir fahren hinauf und nehmen die Treppe nachher hinunter.

Das obere Ende vom Fahrstuhlschacht von einem Balkon aus fotografiert.

Man weiß nicht, ob Rodin und Arp sich zu Lebzeiten begegnet sind. In der Ausstellung sind Skulpturen der beiden gegenüber gestellt worden, damit die Besucher selbst Ähnlichkeiten und Weiterentwicklungen feststellen können.

Im Obergeschoss werden aktuelle Arbeiten der deutschen Bildhauerin Stella Hamberg ausgestellt. Sie arbeitet sehr monumental an „der zeitgenössischen Darstellbarkeit der menschlichen Figur und ihren formalen wie existentiellen Fragestellungen“.

Nach einem ausgiebigen Rundgang durch alle Etagen und auf jeden zugänglichen Balkon geht es wieder abwärts, diesmal, wie schon erwähnt, nehmen wir die Treppe.

noch am Anfang der Treppe beim Lichtschacht
schon relativ weit unten

Zwischen den beiden Fotos habe ich mich lieber damit beschäftigt, das Treppengeländer festzuhalten.

Dieses Museum werden wir bestimmt noch einmal besuchen. Es hat uns sehr gut gefallen. Und die Ausblicke ins Siebengebirge sind von jeder Höhe aus sehenswert, auch im Herbst.

Remagen – da war doch mal was

Tief unten im Archiv des Geschichtsunterrichts von vor gefühlt einhundert Jahren klingelt es bei dem Wort Remagen. Der Ort liegt so gerade noch in Rheinland-Pfalz und grenzt mit seinen Ortsteilen an die outskirts von Bonn, das schon in Nordrhein-Westfalen liegt. Das löste den Klingelton nicht aus. Remagen liegt im Kreis Ahrweiler, die Ahr fließt hier in den Rhein, so nah wollten wir den Folgen der Flutkatastrophe gar nicht kommen. Das war’s aber auch nicht.

Der Prospekt mit einem Stadtrundgang bringt die Erklärung: Die Brücke von Remagen war‘s. Über die marschierten die Alliierten 1945 unerwartet einfach und damit schneller als gedacht in Deutschland ein.

Von unserem Stellplatz aus können wir die Türme sehen (als wir wissen, was wir da sehen). Mit unserer Camping-Schranken-Karte kommen wir auch durch die Tore, die einen direkten Zugang zum Rheinufer gewähren. Die Sonne scheint, wir machen eine Sightseeing-Wandertour entlang des Rheins.

Kurze Zeit später stehen wir vor den linksrheinischen Brückentürmen, in denen heute das Friedensmuseum beheimatet ist. Die Brücke wurde 1916-1918 gebaut, um Militärtransporte in Richtung Westen zu vereinfachen. Nach dem Ersten Weltkrieg blieb sie eher von geringer Bedeutung. Hitler befahl Ende Februar 1945 die Sprengung, damit die Alliierten nicht den Rhein überqueren konnten. Allerdings sollte die Sprengung erst durchgeführt werden, wenn der Feind quasi vor der Tür stand. Alles war bereit, doch es war zu wenig Sprengstoff angebracht worden. Die Brücke hob sich etwas an, um dann wieder auf ihre Stützpfeiler zu fallen.

So konnten am 07. März insgesamt 8000 Soldaten innerhalb von 24 Stunden trockenen Fußes den Rhein überqueren. General Eisenhower war begeistert, Hitler weniger. Der entsandte ein „Fliegendes Standgericht“, dass die fünf verantwortlichen Offiziere zum Tode verurteilte. Vier Todesurteile wurden sofort vollstreckt, der fünfte Offizier war zu seinem Glück bereits in amerikanischer Kriegsgefangenschaft und überlebte.

Am 17. März hielt die Brücke den Belastungen durch Sprengversuch und Truppenbewegungen nicht mehr stand. Sie stürzte plötzlich ein, 30 amerikanische Soldaten überlebten das nicht.

Die Sonne scheint so schön, daher verzichten wir auf einen Besuch des Museums und gehen weiter Richtung Remagens Rheinpromenade. Die Bebauung stellt sich als eine Kompilation des fragwürdigen Baugeschmacks dar.

Der Caracciola-Platz, benannt nach dem erfolgreichsten deutschen Rennfahrer mit 143 Siegen, wer hätte das gedacht; Rudolf C., geboren in Remagen. Das Hinweisschild hat nur einen kleinen Fehler, Rudolf C. war zwar der erfolgreichste Fahrer Europas, allerdings nur vor dem Zweiten Weltkrieg. Und das mit der NS-Mitgliedschaft findet auch so gar keine Erwähnung.

Wir biegen dann Richtung Innenstadt bzw. Altstadt ab. Hier befand sich ein römisches Kastell, Teile wurden ausgegraben, die meisten römischen Überreste sind überbaut worden. Trotzdem bewirbt sich Remagen als Teil des Niedergermanischen Limes um Aufnahme als UNESCO-Welterbestätte. Kann man machen.

Das Rathaus (rechts) ist grad wegen Umbau geschlossen. Das Wasser des Martinsbrunnens fällt einfallslos in Gitterplatten hinein.
Aber übermorgen geht hier um 10:11 Uhr die große Sause los.

Der Elan für noch mehr Fotos reicht für die Fußgängerzone einfach nicht mehr aus. Aber beim Bäcker und Konditor Müller kaufe ich einen „Ehemann“. Das Gebäck hieß schon so, als die nicht mehr junge Verkäuferin ihre Ausbildung machte, wie sie erzählte, auch das Rezept sei noch dasselbe. Was soll ich sagen, schräger Name für ein sehr wohlschmeckendes Gebäck.

mit Marzipan und gebrannten Mandeln gefüllt

Bärchen-Alarm

Auf dem Campingplatz im Badischen fragten sie uns etwas irritiert, was wir denn bloß in Bonn wollten. Okay, unser aktueller Platz kann wirklich nicht mit dem Lug-ins-Land-Platz mithalten. Die Dauercampingplätze haben in ihrer piefigen Kleingartengestaltung eher Ähnlichkeit mit dem Platz im Lipperland, zum Duschen benötigt man eine Duschmünze für vier Minuten warmes Wasser (wobei vier Minuten viel länger sind als gedacht), und nachts (nach 22 Uhr) gibt es kein heißes Wasser mehr.

Dafür gibt es in Bonn ja Beethoven, viele Kunstmuseen und die bedeutenden Gebäude unserer westdeutschen Demokratie. Und – es gibt den Hans Riegel aus Bonn, uns allen besser bekannt durch die Produkte mit seinen Anfangsbuchstaben: Ha Ri Bo. Genau, Haribo wird hier hergestellt, und es gibt in Bad Godesberg einen Fabrikverkauf.

Zu Kunst und Kultur passen Gummibärchen doch irgendwie auch. Im Laden sind wir vom Angebot etwas überwältigt. Das gesamte Angebot in kleinen und großen Tüten und in noch größeren Töpfen. Dazu bestimmte Naschis, die es nur in Dänemark (Lakritzpflaumen), Frankreich, Spanien und anderen europäischen Ländern zu kaufen gibt. Und Gummibärchen in ausschließlich einer Farbe im Kilopaket (Wer ist auch schon gern die weißen?).

In sogenannten Überraschungskisten zu drei oder sechs Kilo gibt es eine bunte Mischung der Produkte. Da wir das meiste Gummizeugs nicht mögen, trauen wir uns nicht, so eine braune Black Box zu kaufen.

Wir nehmen ein bisschen Konfekt und ein paar Schnecken mit und etwas von dem jahreszeitlich wechselnden Angebot und ein bisschen hiervon und davon. Unser Einkaufswagen ist trotzdem nicht so voll wie die der anderen Personen. Und wir wollen ja auch gar nicht alles alleine aufessen!

Reste von „Hariween“ standen auch noch herum.

BTHVN 2021

Nachdem das Beethoven-Haus bei unserem Besuch 2019 wegen Renovierung geschlossen hatte und 2020 die Jubiläumsfeierlichkeiten (und unser Besuch) wegen Corona ausfielen, wollten wir nun 2021 hin. Es ist Montag, alle Museen in Bonn haben montags geschlossen – nur das Beethoven-Haus nicht. YEAH!

Im Vorwege ein Zeitfenster-Ticket zu buchen war auch nicht notwendig. Sind nicht mehr so viele Besucher unterwegs im November, und die, die da sind, machen wohl eher Pre-Christmas-Shopping.

Die Weihnachtsbeleuchtung wird auch hier schon installiert; in der Sternstraße leuchten sogar schon die Sterne.

Beethoven entgeht man nicht in Bonn, überall steht er herum. Ein stilisierter Kopf findet sich sogar auf den grünen Ampeln. Das folgende Denkmal haben „musikalisch interessierte Kreise“ (u.a. Franz Liszt) anlässlich des 75. Geburtstags gestiftet. Eingeweiht wurde es mit königlicher Anwesenheit (Preußen und England) und einem dreitägigen Musikfest, dem ersten Bonner Beethovenfest.

Das Museum mit allerlei Gegenständen, die sein Leben bebildern, befindet sich in seinem Geburtshaus, wobei, seine Eltern bewohnten nur das Hinterhaus. Unter dem Dach war ihr Schlafzimmer, jetzt steht da gerade eine tolle Videoinstallation (leider darf man in den Häusern nicht fotografieren). Wahrscheinlich (oder hoffentlich, für Mutter und Kind) ist Beethoven aber in der Küche im Erdgeschoss zur Welt gekommen, schließlich war es Dezember und nur in der Küche geheizt.

Vorderhaus von vorne
Vorderhaus und Hinterhaus (rechts)

Im Garten darf man Fotos machen, natürlich guckt einen der Meister auch hier von überall her an.

Der Verein hat das Haus nebenan (Nr. 18) ebenfalls gekauft und im Zuge der langjährigen Renovierung neue Räume installiert. Unten in der „Schatzkammer“ sind originale Handschriften ausgestellt, die mehrstufige Arbeitsweise Beethovens wird multimedial sehr anschaulich vermittelt. Im „Musikzimmer“ wird die Mondscheinsonate auf dem Hammerklavier gespielt, während man der Handschrift per Präsentation genau folgen kann.

links Haus Nr. 18

Das Beethoven-Haus hat kein Café (mehr), es lief schon vorher nicht so gut, und Corona brachte dann das (vorläufige) Aus. Aber wir wissen noch vom letzten Besuch, wo man sehr guten Kuchen und Kaffee bekommen kann, bei Fassbender (Dreieck, Ecke Sternstraße). Heute gibt es einen Weckmann (gibt es nur im November, im Dezember hat er noch eine Wichtelmütze auf), den letzten, er ist nur noch einäugig. Die Verkäuferin fasst es nicht, dass wir Weckmänner nicht kennen! Unsere im Norden heißen halt Stutenkerle, das erzählen wir ihr aber nicht, denn sie wird nicht müde, uns von den Weckmännern zu erzählen. Und nur die bei Fassbender haben Butterstreusel (Soll es der Bart oder der Pfeifenrauch sein?) oben drauf, das wiederholt sie mehrmals. Die Verkäuferin pult mit der Kuchenzange noch eine Rosine aus dem Apfelstrudel nebenan heraus, und mein Weckmann blinzelt mich wieder aus beiden Augen an.

Weckmann mit „Glasauge“.

Er mundet mir ungemein, und die Tonpfeife nehme ich mit. Die gilt zwar als „Männlichkeitssymbol“, ist mir aber egal. Heiße Schokolade aus Zartbitterschokolade am Stiel passt sehr gut dazu.

Aufbruch und Reisetag

So langsam wird es Zeit, das Markgräflerland wieder zu verlassen. Wie schnell doch die Zeit vergehen kann. Wir haben viel gesehen und leckere Dinge gegessen und getrunken.

Der Ahornbaum, unter dem wir stehen, zeigt uns deutlich, wie die Zeit vergangen ist.

11.10., noch mit grünem Laub,
29.10., inzwischen gelbe Herbstfärbung,
02.11., das Laub am Baum wird deutlich weniger,
06.11., und weniger!

Am letzten Abend bleibt unsere Küche kalt, es gibt Wildbratwurst und Hirsch-Pils im Campingplatzrestaurant.

Nun geht es aus dem Südschwarzwald und dem Oberen Rheingebiet wieder Richtung Norden, wir fahren an die Goldene Meile links des Rheins ins Mittlere Rheingebiet.

Die Fahrt geht sehr gemütlich mit Tempomat über die A5, bis wir plötzlich und sehr unerwartet Richtung Frankreich abbiegen sollen. Okay, wir vertrauen dem Navi und finden uns kurze Zeit später auf der französischen Autobahn links des Rheins wieder. Auch hier ist nichts los. Wir gewöhnten uns grade an die französische Beschilderung und unterhielten uns über die Maginot-Linie, an der wir entlang fahren (nur das braune Hinweisschild, alte Bunker oder so etwas sehen wir nicht), da kommen schon die alten und ziemlich heruntergekommenen Grenzanlagen in Sicht. Schon sind wir wieder in Deutschland, hatten aber ein kleines Teilstück abgekürzt. Weiter geht es über wenig befahrene Autobahnen (bis auf die Sonntagsfahrer, die unbedingt ihre hochmotorisierten Boliden ausfahren mussten), durch einige Baustellen, über den Hunsrück, durch das terrassierte Moseltal, und schließlich hinunter an den Rhein. Bevor die Sonne ganz hinter den Wolken verschwindet, sind wir am nächsten Campingplatz angekommen, warten nur kurz auf den Platzwart, denn ab November ist die Rezeption nur noch auf Zuruf besetzt, und schon richten wir uns auf den Stellplatz direkt am Rhein ein.

Die kurze Geschichte, wie wir anstelle einer Rheinüberquerung um die Schweiz zu sehen auf einem Berg im Breisgau gelandet sind, um den Schnee zu sehen

Nach den vielen Regentagen sollte es heute zwar kalt, aber trocken bleiben; beste Bedingungen für einen Ausflug. Wir wollten mit der Bahn nach Bad Säckingen am Hochrhein fahren, ca. 35 km flussaufwärts. Dort gibt es eine gut 200 Meter lange, gedeckte Holzbrücke (die längste dieser Art in Europa), die in die Schweiz führt. Schon seit tausend Jahren steht an dieser Stelle eine Brücke, immer mal wieder wurde sie zerstört und dann wieder aufgebaut.

Um die Einleitung kurz zu halten: Wir verpassten den Zug, der nur alle zwei Stunden in die Richtung fährt, um 30 Sekunden. Wir sind uns nicht sicher, ob der Zug überhaupt gefahren ist, denn wir müssen zweimal durch die Bahnunterführungen gehen. Wir hätten doch etwas hören müssen. Dass die farbbesprühten Lärmschutzwände so gut schützen, ist kaum vorstellbar.

Egal, der Zug war nicht da, als wir da waren. Was tun? Der nächste Zug würde nach Freiburg fahren, zwanzig Minuten später. Da die Sonne schien, warteten wir. Wir warteten dann noch einmal fünfzehn Minuten länger, dieser Zug hatte Verspätung. Nein, wir waren nicht übermäßig genervt. Der Zugführer erzählte später, dass er den Zug kurz vor der Abfahrt in Basel umsetzen musste, da sich ein ICE quer über alle Weichen gestellt hatte. Da ist man dann doch froh, dass man mit der Konus-Gästekarte nur die RB benutzen darf.

Kurz vor Freiburg begann es in Strömen zu gießen, wir waren, da wir ja eigentlich in die andere Richtung fahren wollten, auf trockenes Wetter mit Sonnenschein eingestellt. Doch als wir aus dem Hauptbahnhof traten, war ein blaues Himmelsloch über uns. Perfekt, dann vielleicht statt des Museumsbesuches doch eine kleine Wanderung.

Die Straßen sind noch nass vom Regen, und die Weihnachtsbeleuchtung wird schon aufgehängt.

Doch zunächst benötigten wir eine kleine Stärkung. Das kleinste Freiburger Wahrzeichen ist die „Lange Rote“, die Münsterwurst. Sie wird auf den Münstermarkt verkauft und schmeckte uns gut.

Laut Prospekt ein „absolutes Muss für jeden Freiburg-Besuch“, und zu lang für‘s Brötchen, wird schon gleich zerteilt.

Dann ging es weiter Richtung Schlossberg. Wir wollten ganz nach oben zum Aussichtsturm. Die Schilder führten uns mehr oder weniger, wenn sie nicht besprüht, eingewachsen oder an einigen Weggabelungen schlicht nicht montiert waren.

Ganz früher, also seit dem 11. Jh. stand oben drauf auch eine Burg, die Burghaldenschloss genannt wurde. In der wechselhaften Geschichte Freiburgs wurde sie befestigt, erobert, in eine Festung einbezogen, um dann Mitte des 18. Jh. doch komplett zerstört zu werden. Vom Kanonenberg auf gefühlt der halben Strecke hat man schon einen sehr schönen Ausblick. Wir mussten nur den vielen Schlammpfützen ausweichen und dem sehr jungen Liebespaar, das die einzige Bank knutschend besetzte.

Blick in den südlichen Schwarzwald
Blick auf Freiburg, natürlich mit Münster
auch Freiburg, diesmal mit der Brauerei Ganter (gelbe Gebäude) im Zentrum

Vor 150 Jahren wurde damit begonnen, den Schlossberg als Naherholungsgebiet zu gestalten. Es gibt viele Wege von breit bis schmal und Treppen, so dass man auf unterschiedlichen Wegen unterwegs sein kann. Wir schlängelten uns die Wege bergauf, manchmal in Serpentinen, manchmal etwas querfeldein, Hauptsache, der Pfad führte bergauf. Insgesamt stiegen wir in relativ kurzer Zeit ca. 53 Höhenmeter hinauf. Da war er endlich zu sehen, der Turm:

Natürlich wollten wir da auch noch hinauf, um den Rundumausblick zu genießen und die schneebedeckten Berge des Schwarzwalds zu fotografieren. Gesehen hatten wir sie schon aus dem Zugfenster bei der Hinfahrt. Aber unser Kreislauf machte nur bis zum ersten Plattformring mit. Für ein Foto reichte es, dann mussten wir schnell wieder hinunter.

Bergab geht es ja immer schneller, es blieb nicht einmal Zeit für Fotos. Unten am Schwabentor kamen wir wieder in die Altstadt.

Nach einer weiteren Stärkung traten wir wieder den Heimweg an.

Wir hatten Glück, während unseres gesamten Aufenthalts in Freiburg blieben wir trocken.
Übrigens war Erasmus von Rotterdam auch in Freiburg für eine Weile ansässig. Kein Wunder, Freiburgs Universität wurde bereits 1457 gegründet. Erasmus wohnte von 1529 bis 1531 hier im Haus zum Walfisch mit dem auffälligen spätgotischen Portalerker.