Auf nach Irland!

Man bekommt ja nichts geschenkt im Leben. Wir haben unsere kommenden „Fahrzeuge“ für die Tour nach Nordirland für günstig gebucht, dann muss man halt Zeit investieren. Morgens um kurz vor 8 Uhr gestartet, um mit der UBahn zum nächsten Busverteilknotenpunkt zu kommen. Eine halbe Stunde warten, dann mit EasyBus zum Flughafen. Zwei Stunden warten, dann zum Boarding.

„Und nun stellen wir uns mal ganz dumm…“ Wir sollten uns an Gate 14 anstellen. Dort warteten schon zwei Schlangen, die eine stand vor dem Monitor, der Gate 14 anzeigte, die andere stand seitlich davon, der Monitor davor zeigte Gate 13 an. Wir stellten uns also in die erste Schlange. Die war auch viel kürzer als die andere. Ganz vorne stand ein Aufsteller, der auf Englisch erklärte, dass die fast boarding passengers links (wo wir standen), die anderen rechts stehen sollten. Bevor wir uns noch wirklich überlegen konnten, ob wir es nicht einfach darauf ankommen lassen sollten (wir hatten nicht dafür bezahlt), waren wir schon an der Reihe. Martina wurde ‚ausversehen‘ eingebucht, bevor die Frau ihren Fehler bemerkte, und sie zähneknirschend durchgewinkte. Kay erwischte die andere Frau und wurde von ihr ans Ende der inzwischen ganz langen Schlange geschickt. Das bemerkte Martina aber rechtzeitig und bat ganz freundlich darum, ihren Ehemann doch bitte auch mit einzuchecken. Hat geklappt, sie wollten es wohl nicht darauf ankommen lassen, mit Ausländern auch noch zu diskutieren. Die Zeit zwischen Ankunft und Abflug des Flugzeuges beträgt ja nur ungefähr eine halbe Stunde.

Der eigentliche Flug von Stansted nach Belfast dauerte weniger als eine Stunde mit EasyJet, gab auch keine Getränke (nur, wenn man extra bezahlte). Dann ging es weiter mit Zeit investieren, um Geld zu sparen. Wir hatten einen Mietwagen über Budget gebucht. Der irische Akzent fehlte noch in unserer Sammlung der schwer zu entschlüsselnden Akzente. Der gute Mann war aber sehr geduldig mit uns, außerdem gut trainiert. Er wollte uns so gern eine Versicherung extra verkaufen, damit wir nicht für jede Schramme, die wir oder die anderen hineinfahren werden, bezahlen müssten. Die wollten wir aber nicht haben, sondern lieber eine virtuelle Kaution von 1000 Pfund hinterlegen. Leider wollten Martinas zwei Kreditkarten genau das nicht mitmachen, die dritte war in London geblieben, Kays Kreditkarten durften nicht zum Einsatz kommen, weil er nicht Mieter des Fahrzeuges war. D… it! Die einzige Möglichkeit, den Mietwagen doch noch zu bekommen, bestand darin, die Versicherung gegen echtes Geld zu einem für uns schlechten Wechselkurs abzuschließen. Zähneknirschend wurden die notwendigen Unterschriften geleistet und endlich konnte es weitergehen. 

Das Auto sollte hinter der Hertz-Garage im Abschnitt B stehen. Nachdem wir eine halbe Stunde alle, wirklich alle, Nummernschilder auf dem riesigen Parkplazu im Bereich B angesehen hatten, und den Wagen nicht fanden, stellten wir fest, dass es den Buchstaben B auf roten Schildern, dort wir wir gesucht hatten, aber auch auf blauen Schildern gab. Dort waren wir nicht, dort war aber das Auto.  And than it was a keyless car! Unsere eigenen Autos sind so alt, die funktionieren noch mit Schlüsseln. Hier musste ein Knopf gedrückt werden. Alle Lampen gingen an, wir konnten das Navi programmieren, aber das Auto fuhr nicht los. Es dauerte noch ein Weilchen, bis wir herausfanden, wie stark man den Anlassknopf gedrückt halten mussten, um auch den Motor zu starten. Nach achteinhalb Stunden waren wir dann, bisher ohne Schrammen (obwohl es etwas gewöhnungsbedürftig ist, mit der linken Hand die Schaltung zu bedienen) an unserem Ziel, der Nordküste von Nordirland angekommen. Und die Sonne schien, wer hätte das gedacht!

Spaziergang durch Notting Hill

Und man stößt überall auf die Spuren des gleichnamigen Films mit Hugh Grant und Julia Roberts, den wir wahrscheinlich alle gesehen haben. Um es gleich vorweg zu nehmen, hier ist die einzige Location, die sowieso an unserem Weg lag. Wir wollten auf unserem Weg nicht den Film nachspielen.

die Fassade des book shops im Film


Notting Hill
ist ein spannender und abwechslungsreicher Stadtteil, von wunderbar renovierten Stadthäusern, dessen Bewohner wir nicht gesehen haben, nur deren Autos und Angestellte, bis hin zu Sozialbauwohnungen, deren Bewohner im Straßenbild sichtbar waren. Alles steht dicht beieinander und lebt anscheinend gut zusammen. Ganz anders als zu früheren Zeiten.

Im frühen 19. Jahrhundert begann die Expansion Londons nach Westen. Bis dahin war das Gebiet noch sehr ländlich. Die berühmte Portobello Road z.B. hat ihren Namen von der damals im Norden Notting Hills gelegenen Portobello Farm erhalten. Doch nicht nur Häuser für die aufstrebende Mittelschicht wurden dort gebaut. Auch die Schweinefarmer mussten weichen, da ihr Gebiet rund um Marble Arch bebaut wurde. Das neue Gebiet wurde piggeries genannt. In dem Slum betrug das Verhältnis von Schwein zu Mensch 1830 3:1. Das muss ein Gestank gewesen sein, unvorstellbar. Gleich daneben der nächste Slum hieß the potteries. Dort wurden aus dem schweren Lehmboden, der dort vorkam, Ziegel und Fliesen gebrannt. Ein letztes Überbleibsel davon ist dieser alte Brennofen:

one of the last remaining bottle kilns in London

Der schwere Boden war auch mit ein Grund dafür, dass die Pferderennstrecke (Hippodrome), die ein Investor mit dem Anspruch baute, sie größer als Ascot anzulegen, schon nach fünf Jahren aufgegeben werden musste. Die Vertiefungen in der Rennstrecke verfüllten sich immer wieder mit Wasser, und die Pferde erlitten schwere Verletzungen. Das Gelände wurde dann ebenfalls mit schönen Stadthäusern bebaut. Vom Hügel in der Mitte des Geländes sollten die Zuschauer sich die Rennen ansehen. Danach hat man darauf eine Kirche gebaut, St. John. Dort gab es eine Ausstellung zur Geschichte des Stadtteils mit all diesen interessanten Fakten. 

St. Johns Church, Notting Hill

Es ging eine sehr lange Zeit ins Land, bevor die Slums verschwanden, man nannte die Gegend auch Notting Dale (Tal). Es gab viele schwere Rassenunruhen in den 1950ern und 1960ern. Es war normal, an den Häusern, in denen Wohnungen zu vermieten waren, Schilder mit der Aufschrift „No blacks, dogs  or Irish“ zu sehen. Das gibt es glücklicherweise nicht mehr, und noch immer finden viele Immigranten ihren Weg nach Notting Hill, die dort auch bezahlbaren Wohnraum finden. Wir würden in den Wohnungen allerdings nicht leben wollen, der bauliche, energetische und auch sonstige Standard entspricht nicht im entferntesten dem im Deutschland. Aber in den Häusern, die wir schick fanden, könnten wir auch nicht wohnen, wie wir nach einem Blick auf die Anzeigen bei einem Immobilienmakler feststellen mussten.

eines dieser kleinen Scheibchen, früher Ställe, jetzt renoviert, geht für 2 Millionen Pfund über den Tisch
der riesige Trellick Tower im Hintergrund war früher einmal das Paradenegativbeispiel für innerstädische öffentliche Hochhausbebauung mit all den auftretenden Problemen. Inzwischen sind die meisten Wohnungen in Privatbesitz und können mehr als 300.000 Pfund kosten.

Nach dem einige Meilen langen Spaziergang ging es dann abends mit der UBahn wieder hinüber auf die südliche Themseseite, um noch einmal Shakespeare zu genießen. Diesmal gab es im Globe Theatre The Taming of the Shrew (Der Widerspenstigen Zähmung), wieder eine tolle Inszenierung mit großartiger Interaktion zwischen den Schauspielern auf der Bühne, den Zuschauern vor der Bühne und den Musikern über der Bühne. Das Stück selbst war nicht so leicht zugänglich, Frauen an heiratswillige Männer meistbietend zu verschachern ist nicht so up-to-date, allerdings waren genügend komische Szenen vorhanden, um unsere müden Füße zwischendurch zu vergessen.

so schön ist es abends im Hof

Ausflug nach Kent

Heute ging es in die Grafschaft Kent, ein weiter Weg, wenn man im Nordosten von London, schon in Essex wohnt und in den Südwesten will. Die Themse muss immer irgendwie überwunden werden, diesmal ging es auf dem Hinweg über eine Brücke und auf dem Rückweg durch den Tunnel. Beide Stecken sind mautpflichtig, das Nummernschild wird fotografiert, und man hat bis Mitternacht des nächsten Tages Zeit, die Gebühr online zu bezahlen (Dartford Crossing). Wir haben schon gleich nach der ersten Querung bei unserer Ankunft für vier Querungen im Voraus bezahlt. 

die Queen Elizabeth II Brücke über die Themse im Verlauf der M25 bei Dartford
Blick nach Westen, im Hintergrund ist London zu sehen

Anstrengend war die Fahrt nur wegen der Baustellen, auf denen zum Teil auch am Sonntag gebaut wurde, daher kam es zu Staus, und wegen der vielen anderen Menschen, die auch auf die Idee gekommen sind, am Sonntag einen Ausflug in den Süden zu machen. Das Fahren auf der linken Seite fühlt sich ganz normal an, da ja alle dort fahren. Man schwimmt immer mit dem Strom mit.

Wir wollten Sissinghurst Castle and Gardens besuchen, gelegen in der Mitte des Weald of Kent. Dort waren wir vor langer Zeit schon einmal, versuchten aber damals, mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinzukommen. Das dauerte einen ganzen Tag, mit Zug, UBahn, Zug, Bus (und warten auf den Bus), dann die letzten 1,5 Meilen zu Fuß. Wir kamen eine Stunde vor Schließung an, es regnete und wir waren reichlich frustriert. Diesmal ging es mit dem eigenen Auto viel bequemer und schneller. Und der Garten präsentierte sich in all seiner Sommerpracht.

der Turm vom Obstgarten aus gesehen
der berühmte Weiße Garten
Blick vom Turm auf den Weald

im Hintergrund die für Kent typischen Hopfendarrtürme mit den weißen Kappen

Angelegt wurde der Garten von Vita Sackville-West und ihrem Mann Harold Nicolson ab den 1930er Jahren. Laut Wikipediaseite gehört er zu den beliebtesten Gartenanlagen der Welt. Als heute die Reisegruppen in den Bussen ankamen, waren wir mit der Besichtigung schon durch. Ein Glück. Auf dem Rückweg haben wir noch einen Stopp am Knole House in Sevenoaks eingelegt. Hier wurde Vita Sackville-West geboren, auf dem Stammsitz der Familie Sackville seit mehreren hundert Jahren. Da sie aber das einzige Kind des Barons war und ein Mädchen, die nicht erbberechtigt waren (das kennen wir ja aus Downton Abbey), erbte ihr Cousin Titel und Haus. Dumm gelaufen. Aber Geld wurde schon vererbt, so konnten Vita und Harold sich die Ruine in Sissinghurst kaufen, bewohnbar machen und modernisieren.

Für die Besichtigung der Innenräume waren wir zu spät, aber wir sind auf einem Teil des weitläufigen Geländes spazieren gegangen. Ein beliebter Ort für Picknick mit der ganzen Familie inmitten der nicht mehr ganz wilden Tiere. Überall läuft Sikawild herum und lässt sich nur wenig von den Besuchern stören.

Knole House, war ursprünglich mal ein Palast des Erzbishofs
erster Innenhof (Courtyard)

Picknick mit Sika, kein Zaun, kein Photoshop, friedliche Koexistenz

Southwark, immer wieder etwas Neues 

Es scheint so, als wenn der Stadtteil Southwark unser all time favourite ist. Immer wieder halten wir uns dort auf, gestern, heute und auch nächste Woche wieder. Und immer wieder finden wir interessante Dinge, die wir noch nicht gesehen oder gewusst haben. 

Heute gelang es uns endlich, nach mehreren vergeblichen Anläufen im Verlauf der vielen Besuche hier weil immer zu spät vor der Tür, die Southwark Cathedral von innen anzusehen. Fast hätte es wieder nicht geklappt, denn es lief gerade der evensong, der abendliche Gottesdienst in der anglikanischen Kirche. Da wir aber der Ökumene nicht abgeneigt sind, haben wir uns hineingesetzt, bekamen Liederbuch und Ablauf in die Hand gedrückt und waren für eine halbe Stunde Teil der Gemeinde. Das Knien beim Beten haben wir buchstäblich ausgesessen, beim Glaubensbekenntnis einfach das Wort katholisch gegen apostolisch ausgetauscht und die Abschlusshymne tapfer und laut mitgesungen. Glücklicherweise gab es genügend Strophen, so dass die Melodie sich einprägen konnte. Der Chor war zu Besuch aus Newcastle in Australien (die Auswanderer aus England waren noch nie wirklich einfallsreich mit der Benennung ihrer neuen Siedlungen, haben wir schon in Amerika gemerkt, alle Ortsbezeichnungen in GB gibt es auch noch auf anderen Kontinenten).

Southwark Cathedral nach dem evensong, die Kerzen brennen noch
der kleine Kräutergarten hinter der Apsis, darüber London Bridge, darüber die Ubahnstrecke, darüber die Bürobebauung

Der Kirchgarten ist eine kleine Oase inmitten der quirligen Stadt, gut zum Ausruhen und Luft holen. Außer einem Kräutergarten sind alle Pflanzen, die in Shakespeares Stücken erwähnt werden, angepflanzt. Außerdem gab es eine interessante Skulptur zu sehen. Sie erinnert an den amerikanischen Häuptling Mahomet Weyonomon, der 1736 36jährig in der City of London starb, als Ausländer dort aber nicht beerdigt werden durfte. Daher wurde er über den Fluss getragen und in der Nähe der Kirche, der jetzigen Cathedral, begraben. Warum war er überhaupt in London? Sein Stamm, die Mohegan, hatten den ersten Siedlern geholfen zu überleben und wurden Verbündete der Engländer. Die Siedler allerdings begannen, ihnen ihr Stammesland zu stehlen. Trotz königlicher Anweisungen wurde das Land nicht zurückgegeben. 30 Jahre später segelte Mahomet mit drei Unterstützern nach England, um beim König vorstellig zu werden. Während er auf den Audienztermin wartete, steckte er sich mit Pocken an und starb. Sein Stamm bat um die Errichtung eines Erinnerungsteins, um einen gefallenen Häuptling zu ehren. Ein Stein aus dem Stammesland wurde nach England verschifft, behauen und 2006 von der Queen, ihrem Mann, dem Stammesvorsitzenden und dem amerikanischen Botschafter enthüllt, um Mahomet symbolisch die Audienz zu gewähren, die er nie erhalten hatte.

zur Erinnerung an Häuptling Mahomet Weyonomon

Und dann ist da ja auch immer noch die großartige Tate Modern. Der moderne Anbau, den wir bereits in den verschiedenen Baustufen gesehen haben, ist jetzt fertig. Ganz oben in der 10. Etage bekommt man kostenlos einen wunderbaren Blick über London. Ganz unten sind die gewaltigen Öltanks, auf denen der Anbau ruht und die früher für den Turbinenantrieb notwendig waren, gereinigt und auch zu Ausstellungsräumen umgewandelt worden. Na ja, es sind eher Ausstellungshallen, und dort gab es Neues zu sehen. Im Museum und an der Themse generell ist die Sommerhitze auch auszuhalten, ganz im Gegensatz zur UBahn. 

der Anbau der Tate Modern, ganz oben kan man die Menschen im 10. Stock sehen
Blick aus dem 10. Stock nach Nordosten, im Vordergrund ist der Altbau zu sehen
Blick aus dem 10. Stock nach Osten
Blick von der Brücke im 4. Stock, die Alt- und Neubau miteinander verbindet
Tate Modern, links das alte Kraftwerksgebäude, rechts der neue Anbau

And again … Shakespeare!

Back to London, back to Shakespeare, alles auf Anfang! Wir beginnen unser tolles Jahr erneut?

Leider geht das nicht, aber dafür liegt ja bereits ein reiches Reise-Jahr hinter uns. Und nun waren wir wieder in Shakespeare’s Globe Theatre und sahen A Midsummer Night’s Dream, absolut grandios! Trotz oder auch wegen der neuen Intendantin, die bei diesem Stück auch Regie führte. Das uns sehr gut bekannte Stück war immer wieder für unerwartete Überraschungen gut: Hermia als indische Tochter, die ihrem Vater gehorchen muss und Demitrius heiraten soll, aber Lysander liebt, Helena als indischer Helenus und verliebt in Demitrius, die Handwerker in T-Shirts mit dem Aufdruck Globe Team firmieren als Mitarbeiter des Theaters, die ein Theaterstück im Theaterstück im Theater aufführen, das ganze garniert mit indischer Musik und zum Teil gesungenen Textpassagen und als Krönung ein kleiner Tribut an den Mann im/auf dem Mond mit Major Tom. GROSSARTIG!!!! Drei Stunden lang beste Unterhaltung.

setting the stage for A Midsummer Night’s Dream
Indian music in a Shakespeare play
Rock the ground -and they did

Shakespeare’s Globe Theatre on Southbanks

Und anschließend haben wir noch einen Sightseeing-Spaziergang durch Southwark unternommen. Die Spaziergänge aus dem Buch London’s Hidden Walks bringen einen in Nebenstraßen, versteckte Gärten und verraten interessante Fakten. Hier kommen ein paar Bilder:

Ein Steinalkoven im Innenhof des Guy’s Hospitals, genannt Lunatick Chair. Der Alkoven ist ein Überbleibsel, es gab einmal 14 davon, die alle auf der alten London Bridge standen, die 600 Jahre lang bis 1831 die Themse überspannte.
The Red Cross Cottages and Garden, erbaut kurz vor der vorletzten Jahrhundertwende, um Armen zu helfen, indem man ihnen ordentliche und bezahlbare Behausungen zur Verfügung stellte. Fluchen und trinken führte zur Kündigung und man musste wieder in die Slums rundherum ziehen.
das Atrium des Gebäudes, in dem früher The Hop Exchange war, der Handelsplatz für Hopfen aus Kent für die Brauereien am Südufer der Themse. Das weiße Pferd auf rotem Grund ist das Wappen der Grafschaft Kent.

Travelling the States European style

Der Unterschied beim Reisen durch die Vereinigten Staaten von Amerika und beim Reisen durch Europa ist schon groß. Eigentlich die einzige Gemeinsamkeit ist das Steckenlassen des Ausweises, wenn man in einen anderen Staat fährt (es sei denn, man möchte auf die ausstiegswütige Insel im Nordwesten des Kontinents). Es ist eine große Leistung der EU, das Schengen-Abkommen realisiert zu haben. Die vielen nicht mehr benötigten Grenzanlagen zu sehen, inzwischen von Rainfarn und Gräsern überwuchert, nur die Geschwindigkeit beim Überqueren der Grenze muss ein wenig reduziert werden.In wenigen Tagen sind wir von Deutschland nach Tschechien, wieder nach Deutschland, durch Luxemburg und Belgien gefahren und schließlich in Frankreich angekommen, um nach England überzusetzen. Wir haben die Eger, den Neckar, den Rhein, die Mosel, den Ärmelkanal und dann die Themse überquert. Nebenbei haben wir in Deutschland auch noch 11 von 13 Flächen-Bundesländern mitgenommen. In den grenznahen Gebieten der Eurozone ist das Bezahlen mit der gemeinsamen Währung überall möglich, wir hätten in Tschechien gar nicht deren Koruna benötigt (der Wechselkurs war für uns aber besser). Ansonsten fährt man durch Euroland und kann die Preise überall gut vergleichen. Schade, dass in Luxemburg unser Tank noch fast voll war, 93 Cent für einen Liter Diesel!!

leaving Germany, arriving in Luxemburg
leaving Luxemburg, arriving in Belgium
leaving Belgium, arriving in France

Die Sprachenvielfalt ist allerdings eine Herausforderung, das war in den USA für uns definitiv leichter. Die Art und Weise, wie wir gern mit den Menschen kommunizieren, wenn wir unterwegs sind, war in Tschechien nur ganz rudimentär möglich. Dazu kam, dass so gar nichts in der sichtbaren Umwelt für uns lesbar war. Die slawischen Sprachen sind nahezu nicht entschlüsselbar für uns. Und die Aussprache erst! In Karlsbad gab es dazu Geschäfte, die nur kyrillische Schilder hatten, die waren für uns offensichtlich auch nicht gedacht: es gab keinerlei Preisschilder bei den Auslagen. Die Tourismusoffiziellen verweisen ständig auf die vielen Dichter, Denker, Musiker aus den letzten Jahrhunderten, die oft und gern nach Karlsbad zum Kuren gekommen sind. Den Häuseraufschriften, Gedenktafeln und Wanderpfaden nach zu urteilen, war das halbe deutschsprachige Europa schon da. Man vergisst dabei schnell, dass bis in die 1950er (???für Geschichtsinteressierte, benetz Dekrete ) hinein in dem Teil Böhmens mit den berühmten Kurbädern Karlsbad, Marienbad, Franzensbad Deutsch die normale Verkehrssprache war, mehrheitlich wurde weiterhin die Muttersprache gesprochen. Das Kommunizieren wäre damals für uns also einfacher gewesen, allerdings hätten wir nicht zu den Schichten der Bevölkerung gehört, die sich das Reisen hätten leisten können. Unter diesem Gesichtspunkt ist es dann doch besser, ’still‘ durchs Land zu reisen. In Belgien frischten wir unsere schon längs verschüttet geglaubten Französischkenntnisse wieder auf. Erstaunlich, was sich in den hintersten Gehirnschubladen nach 40 Jahren noch alles befindet. England und Nordirland wird die nächsten Wochen ein Kinderspiel, was die Sprache angeht. Und das Pfund steht inzwischen auch günstiger für uns.

Mode, für die Dame, für das Kind, für den Herrn, ist doch nicht so schwer

Ach ja, und genau vor einem Jahr sind wir gestartet in unser großes, unbekanntes Abenteuer. Wie schnell doch die Zeit vergangen ist und wie gut wir uns an das Leben auf Zeit an anderen Orten gewöhnt haben. Unterwegs zu sein fühlt sich jetzt ganz normal an. Wir sind schon gespannt auf das endgültige Ankommen zuhause, werden wir wieder sesshaft werden können? Aber noch haben wir ja zweieinhalb Wochen vor uns.

Eisberge voraus! Aber nein, the White Cliffs of Dover, again, diesmal in the middle of the heat wave

Altstadtbummel durch Heidelberg bei 32 Grad

Das machten mit uns zusammen an diesem Montag auch Tausende von anderen Touristen, gern in Reisegruppen unterwegs. Man will eine schöne Häuserfassade fotografieren, steht allein auf dem Platz davor und wird plötzlich von hinten von dreißig Menschen umschwemmt und umspült. Naja, dann kommen die halt mit auf das Foto und werden hinterher beim Editieren so gut es geht weggeschnitten.

Haus zum Ritter, erbaut 1592 und unzerstört durch die Wirren 1689/1693 gekommen

Oder man wartet, bis sich eine Fotolücke ergibt. Da alle gern allein auf ihr persönliches Erinnerungsfoto möchten, warten auch alle geduldig, bis sie vorbei gehen. Das Foto zeigt es nicht, aber es war wirklich sehr voll auf der Brücke.

auf der Alten Brücke mit der Statue des Erbauers Kurfürst Karl Theodor

Alle amerikanischen, italienischen, spanischen, japanischen, … Reisegruppen und Klassenfahrten waren natürlich auch auf dem berühmten Heidelberger Schloss. Den Aufstieg haben wir uns bei den Temperaturen gespart und lieber am Marktplatz beim Italiener Cappucino getrunken und die Gruppen beobachtet, wenn sie aus der Bergbahn kommend wieder in der Fußgängerzone landeten.

am Marktplatz, hinten links das Rathaus von 1701

Da am Montag alle Museen (und auch der einzige Second-Hand-Laden, den wir fanden) geschlossen sind (aber ein Friseurgeschäft, das am Montag geöffnet war, gab es), blieben uns für das Besichtigungsprogramm die Kirchen, durch die Bauweise auch ohne Klimaanlagen auf angenehme Temperaturen herabgekühlt. Die Heiliggeistkirche haben wir dann auch gleich zweimal besucht, da es am späten Nachmittag noch ein halbstündiges Orgelkonzert gab. 

Heiliggeistkirche (1398-1441), Begräbnisstätte der Kurfürsten
Heiliggeistkirche von innen
Jesuitenkirche, Bauzeit ab 1712 unglaubliche ca. 150 Jahre
und 2004 innen sehr schön schlicht, ist ja trotzdem noch Barock, renoviert worden mit einer tollen Orgel

Heidelberg ist auf jeden Fall eine weitere Reise wert. Dann werden wir auch länger bleiben. Morgen geht’s weiter nach Westen, wir wollen ja nach GB, die Fähre ist schon gebucht. Aber vorher machen wir noch Station in Brüssel.

das Heidelberger Schloss über der Altstadt im gleißenden Sonnenlicht

Von Karlovy Vary (CZ) nach Heidelberg (D)

Auf dem Hinweg nach Karlsbad sind wir durchs Erzgebirge gefahren, auf dem Rückweg ging’s durchs Fichtelgebirge und die bayerische Oberpfalz. So kann man Deutschland auch kennenlernen. Allerdings war die freie Fahrt kurz hinter der tschechisch-deutschen Grenze (ohne Anzuhalten, wie großartig ist das immer wieder) auch schon wieder zu Ende. Wegen eines schweren Unfalls auf der Autobahn stauten wir uns zur nächsten Abfahrt und legten eine ungeplante, aber willkommene Pause bei McCafé ein. Nach dem nächsten Stau führte uns, zusammen mit tausenden anderen Urlaubern, die Via Carolina (Kalle vier lässt uns nicht los, er wollte sein Königreich Böhmen mit den Reichsstädten Nürnberg und Frankfurt verbinden und ließ gut ausgebaute Handelswege anlegen. Die A6 stellt die direkte Ost-Westverbindung dar, schon damals und auch für uns.) durch das Frankenland. Der Freistaat Bayern entpuppte sich als das Texas Deutschlands für uns, es dauerte gefühlt ewig, bis wir ihn, den Freistaat, durchquert hatten. Das kann auch an der stetig steigenden Temperatur gelegen haben, von nur 17 Grad in Karlsbad ging das Thermometer in Ansbach auf 26 Grad. Inzwischen bei 27 Grad in Baden-Württemberg angekommen, erzählte uns die nette Verkehrsdurchsagerin
vom SWR3 im Radio, dass der ADAC eine Staulänge an diesem Wochenende von insgesamt 3000 km errechnet hatte. Da waren wir bisher ja gut durchgekommen. Und damit es so blieb, verließen wir die A6 schon vor Heilbronn und sind durch den Neckartal-Odenwald gefahren. Das ist auch eine sehr schöne Gegend. Allerdings verdoppelte sich dadurch auch die Gesamtreisezeit von prognostizierten 3,5 auf 7 Stunden. Gut, dass unser Auto über eine Klimaanlage verfügt.

der Neckar bei Haßmersheim
Burg an Weinberg, Neckarzimmern

Über die Grenze nahmen wir noch einen nicht ganz blinden Passagier mit. Elvira fuhr als Kühlerfigur auf der Motorhaube von Karlsbad aus mit. Wir haben aber nichts illegales gemacht, denn auch Elvira fiel unter das Schengen-Abkommen und durfte ohne Papiere einreisen. Sie hätte sie sowieso bei dem Fahrtempo nicht rechtzeitig in ihrem Haus gefunden. Beim McCafé beschloss sie, uns wieder zu verlassen. 

„Elvira, leg‘ die Fühler an! Es ist schnell auf der Autobahn!“

Der Kur ihre Kür

Schade, so schnell kann eine Woche vorbei gehen! Wir haben die Chance genutzt, noch einmal ausgiebig in den Wäldern zu wandern. Da wir ja die Abschlussprüfung gestern erfolgreich bestanden hatten (Ach ja, kleiner Nachtrag zum Hirschsprung. Den haben wir in echt gesehen, ausgeführt von einem etwas kleineren Exemplar von Wild, Damwild?), haben wir heute alles, was zeitlich ging, zusammen geworfen: die Nummern 14, 21, 17, 6; ergab dann eine Gesamtlänge von 10 km (wer Lust hat, kann daraus eine kleine Matheaufgabe basteln, das Ergebnis muss dann aber auch 42 betragen, obwohl wir die ganze Strecke gelaufen sind).

Die Kurwälder heißen uns willkommen! Gut, dass wir unser kleines tschechische Wörterbuch dabei haben, so ein Smartphone ist was feines.

Wir kamen mal wieder an der „Mutter“ vorbei, konnten sie aber diesmal buchstäblich links liegen lassen. Es folgte ein neu angelegter Lehrpfad, „der auf die Forstwirtschaft und Dendrologie orientiert ist“. Irgendwie kennt man dieses Fremdwort Dendrologie, aber was war es bloß noch mal? Irgendetwas mit Wald oder Baum, aber Baum ist doch arbor…, Arboretum kennen wir, gibt’s in Pinneberg, hmmm. Mutter können wir ja nun nicht fragen, aber Wiki. Wiki weiß ja auch eigentlich alles. Und Wiki spuckt dann aus, dass arbor zwar richtig ist, aber die falsche Sprache, nämlich lateinisch und dendro aus dem Altgriechischen stammt. Nun sind wir schlauer. Zwischendurch „überquerten“ wir ein Wildgehege, auch neu:

Damwild, Sikahirsche, Wildschweine, alles irgendwo unter uns, aber nicht zu sehen

Und kamen an der St. Leonhards Kapelle vorbei:

kaple sv. Linharta

In der Nähe dieser Kapelle stand einmal das Dorf Obora, man kann noch Überreste finden, wenn man sucht (haben wir nicht, war zu warm). Obora wurde bereits 1246 das erste Mal schriftlich erwähnt. Wahrscheinlich sind die Bewohner nach der Gründung von Karlsbad in die Stadt gezogen. Da ist man schließlich näher dran am Geschehen als auf dem Dorf. Diese Tendenz kennen wir von unseren Kindern. 

Das Restaurant svaty Linhart (Heiliger Leonhard) blieb auch unbesucht von uns, wir wollten schließlich wieder zur Diana. Auf dem Weg dorthin kamen wir an einem der insgesamt fünf Aussichtstürme, die Karlsbad umgeben, vorbei, den Aberg (Doubská hora). Aber wie die anderen auch (bis auf die Diana, da ist immer etwas los, weil die Menschen nicht dorthin gehen müssen, um sie zu besuchen, sie nehmen einfach die Seilbahn), war die ehemals vorhandene Restauration geschlossen. 

Aberg, sollte ein Hotel werden, aber die Immobilienkrise oder etwas anderes kam dazwischen
aber der Ausblick ist schön
Auf diesen Gesellen trafen wir dann auch noch, er hat uns mehr erschreckt, als der lebendige Pilzsammler in einer der Hütten.
diese Hütte trägt den schönen Namen ‚Beim Gemälde‘ (chata u Obrazu). Um welches Gemälde es sich dabei handelt, wird ein ewiges Geheimnis bleiben. es war weit und breit nichts zu sehen.

Und dann waren wir endlich wieder in der Diana-Gastwirtschaft. Dort sollte heute Abend svatba gefeiert werden. Was das ist, sagt euch das nächste Bild.


Aber wir bekamen noch unsere Wanderbelohnung, die berühmte Gulaschsuppe im Brot, endlich!

sieht sie nicht köstlich aus, und erst der Geruch, lecker!!
schon fast verzehrt, die Hülle hält
Hilfe, die Suppenschüssel ist kaputt!

Auf dem Rückweg ins Centrum kamen wir dann noch an der, im klassischen byzantinischen Stil erbauten russisch-orthodoxen Kirche vorbei, frisch gestrichen strahlt sie mit den Besuchern um die Wette.

Kirche Hl. Petrus und Paulus

Warum sind wir nun immer wandern gegangen? Wir waren im Hotel mit Halbpension untergebracht, und der Koch meinte es mit der Größe der Portionen richtig gut. Für heute hatten wir uns für das gefüllte Brathuhn entschieden, schon deshalb, weil wir wissen wollten, welches Teil vom Huhn wohl auf dem Teller sein würden. Um es kurz zu machen, das ganze!

die Kellnerin, die nur wenig deutsch sprach, sagte dazu nur „Baby“. na dann, guten Appetit

Gelände-Kur, Abschlussprüfung: freies Kombinieren

Und das ging so:

Man nehme einen gegebenen Zielpunkt, die Randbedingung „Finde möglichst viel bisher unbekanntes bzw. neues.“ und stelle die Wahl der Wanderwege frei.

Um es vorweg zu nehmen, wir haben die Prüfung natürlich mit Bravour bestanden. Der Lohn war gutes Wetter während der Wanderung, viele Bilder für das Album und Sonnenschein am Abend.

Unser Zielpunkt war wieder die Ausflugsgaststätte ‚Diana‚, aber wir wollten diesmal anders gehen als beim letzten Mal. Es führen aber nur wenige ausgeschilderte Wanderwege dorthin. So haben wir uns für den Weg Nr. 9 entschieden, den aber quasi mittendrin unterbrochen, um auf Nr. 13 wieder zur Diana zu kommen. Nach der Pause ging es zurück zur Nr. 9, den bis zum vorgesehenen Endpunkt, dann aber, weil das Wetter so schön und wir so im Schwung waren, noch ein bisschen auf der Nr. 7 am Hang zwischen den Häusern entlang.

ein Kurhotel für Spatzen, jedem Paar ein eigenes Appartement und eine gemeinsame Sonnen-und Anflugterrasse

das kleine Extra des Tages, schon fast verputzt
nicht nur Goethe kann eine Trinkkur auch so verstehen

Auf dem Weg Nr. 9 erwarteten uns eine Menge, für das Stadtbild markante Punkte, die Mayer-Gloriette, eine Gamsbock-Skulptur, einen Imperator All-Russland, eine Überlebende der Französischen Revolution, ein gar schröckliches Gedicht, lustige Übersetzungen, noch eine Gloriette.

„und das alles ist dort drüben, schaut nur genau hin“

Links von Kay lugt der Diana-Turm aus den Wipfeln. Das runde (naja, genau genommen nur achtseitig, aber auf die Entfernung) Gebäude mit dem roten Dach rechts vom Zeigefinger ist die Mayer-Gloriette, so genannt, da Franz Mayer, erfolgreicher Geschäftsmann in Wien, aber gebürtig in Karlsbad den Bau 1804 finanzierte. Der älteste Aussichtspunkt Karlsbads wurde 2012 grundlegend renoviert.

die Mayer-Gloriette, im Hintergrund das Hotel Imperial

Etwas oberhalb befindet sich die Petershöhe (Petrova vyšina, 489 m). Dort trafen wir auf den Peter, oder auch Petr I. Imparátor Velké Rusi, und damit auch auf die lustigen Übersetzungen, denn übersetzt wurde dies mit Peter I. Imperator All-Russland. Bleiben wir mal der Einfachheit halber bei Zar Peter dem Großen (Er soll mehr als zwei Meter groß gewesen sein!). „Während der Behandlung, Peter I. spaziert jeden Morgen auf dem Berg, wo das Kreuz steht, und neben ihm er machte Gebetszeremonien. An dieser Stelle steht jetzt Denkmal des Peter I. dem Großen.“ (Auszüge aus der nahegelegenen Infotafel). Nach 1711 kam er im darauffolgenden Jahr gleich wieder. „Nach zwei Besuchen in Karlsbad, Peter I. hatte vier Jahre lang ein gutes Gefühl.“ Das ging uns ja ähnlich nach den beiden Kuraufenthalten hier. Wir sind allerdings acht Jahre danach wieder gekommen. Pjotr hatte wichtigeres vor, nämlich Krieg führen, durch Europa reisen und auf dem Wege mal in Pyrmont, mal in Spa zu kuren, seine Herrschaft zu sichern und sein riesiges Reich zu modernisieren. Wir haben auch einfach mehr Zeit auf der Erde, er starb ja schon mit 52 Jahren. 

der Imperator (Kaiser), den Namenszusatz Zar hat er gemäß der gestiegenden außenpolitischen Bedeutung Russlands 1721 abgelegt

Ein paar Schritte entfernt steht ein Obelisk mit einem Gedicht von 1834 auf Deutsch. Weil es so gar schröcklich ist, hier nur die erste Strophe: 


Das Denkmal heißt Theresienhöhe nach der „huldvollen Fürstin“. Dabei handelt es sich um Maria Theresia, das erste Kind von Marie Antoinette und Ludwig XVI., die beide während der Französischen Revolution an der Guillotine nicht vorbei kamen. Maria Theresia überlebte als einziges Kind die Revolution und durfte einen Tag vor ihrem 17. Geburtstag das Gefängnis verlassen, fand Asyl bei der österreichischen Verwandtschaft in Wien, heiratete vier Jahre später ihren französischen Cousin in Lettland, wurde mit 46 überraschend französische Königin, da ihr Schwiegervater zugunsten seines Sohnes auf den Thron verzichtete und besaß dieses Vergnügen für genau 20 Minuten, da ihr Mann dann ebenfalls die Abdankungsurkunde unterzeichnete. Kein Wunder, dass sie drei Jahre später zur Kur nach Karlsbad musste!

Der „Carl“ im Gedicht ist natürlich unser alter Bekannter Kalle Vier. Seine Legende die Gründung Karlsbads betreffend geht so:

Während des Aufenthaltes auf seiner Burg in Loket, 16 km zu Fuß von Karlsbad entfernt, geht er natürlich in den umliegenden Wäldern Hirsche jagen. Plötzlich jault einer der Jagdhunde auf, ist aber nicht vom Wild angefallen worden, sondern in heißem Wasser gelandet. Autsch! König Kalle, ganz schlau, kommt natürlich sofort auf die Idee, die heißen Quellen für die Gesundheit zu nutzen, und schwupps, ist Karlsbad gegründet. Oder so ähnlich. Auf jeden Fall war da auch noch was mit dem Hirschen, der einen unglaublich weiten Sprung gemacht hat, um sich vor Pfeil und Bogen zu retten. Deshalb heißt das Ausflugslokal dort auch Hirschsprung (Jelení skok). 

Die Legende lebte fort und führte ein gutes Leben, wurde immer fetter, bis dann Mitte des 19. Jahrhunderts Baron August Friedrich von Lützow aus Norddeutschland nach Karlsbad zog. Ihn nervte der unkritische Umgang mit der Sage gewaltig, denn er war der Meinung, dass keinesfalls ein Hirsch, sondern höchstens eine Gämse über den Felsen hätte springen können. Da der endlose Streit mit den Ratsherren von Karlsbad zu keinem Erfolg führte, ließ er einfach von seinem Lieblingsbildhauer aus Berlin, der ihm schon viele Plastiken für seinen Garten geschaffen hatte, eine Gämse anfertigen, damit man sehen konnte, was er vergeblich zu erklären versuchte. Sie wurde dann 1851 auf dem Felsen montiert. Da das niedliche Tierchen sofort eine viel besuchte Attraktion wurde, trauten die Ratsherren sich auch nicht, sie wieder zu entfernen.

der Hirschsprungfelsen mit dem Gämslein

Blick auf die Lützow-Villa, im Bildmittelgrund links allein stehend im Park

Aber auch schon ganz zu Beginn der Wanderung fanden wir etwas Neues. Auf dem Weg zum Anfangspunkt des Wanderweges Nr. 9 kamen wir an einem offen stehenden schmiedeeisernen Tor vorbei, das sonst nie offen stand. „Wo geht es denn da hin?“ Noch beim Fragen gingen wir schon hindurch und landeten oben auf der Mühlbrunnenkolonnade. Als wir vor acht Jahren das letzte Mal hier waren, konnte man das Obergeschoss der Mühlbrunnenkolonnade (die aus Casino Royale) nicht betreten, Baufälligkeit, Statikprobleme oder so etwas. Jetzt geht es und zusätzlich gibt es eine Fotoausstellung zur Geschichte der Kolonnade. Anscheinend wurde ein Teil des Filmgeldes dafür genutzt. Uns hat es gefreut.

Blick von der oberen Außenterrasse der Mühlbrunnenkolonnaden Richtung Thermal-Hotel