Grazer Schlossberg: Über den Dächern der Stadt

Das Touristbüro gibt eine Broschüre mit drei Stadtspaziergängen heraus, wir wählen die Bergroute. Graz liegt sehr flach im Grazer Becken und ist von drei Seiten von Bergen umgeben (nur im Süden nicht, da wo der Flughafen ist). Mitten im Stadtgebiet ragt allerdings 123 Meter über dem Hauptplatz der Schlossberg auf, eine markante Landmarke, insgesamt 473 Meter über Normalnull. Unterschiedliche Wege führen hinauf, mit der Bergbahn, dem Lift oder zu Fuß.

Eingang zum Lift, Tickets gibt es aus dem Automaten

Letzteres sparen wir uns für den Rückweg auf, hinauf geht es für uns mit dem Gläsernen Lift, der auf der Fahrt einen Blick auf das Dolomitfelsgestein zulässt. Viel ist nicht zu sehen, schon ist man oben. Wir treten am Wahrzeichen der Stadt, am Uhrturm wieder ins Freie und gehen weiter bergan zum Schloss hoch.

Vor mehr als 1000 Jahren stand hier schon eine kleine Burg, gradec im Slawischen, die der Stadt ihrem Namen gegeben hat. Im 16. Jahrhundert baute man sie zu einer mächtigen Renaissancefestung aus. Es wurde die stärkste Festung aller Zeiten inklusive Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde, denn sie wurde niemals erobert. Auch nicht von Napoleon, der musste 1809 zu anderen Mitteln greifen, nachdem seine Mannen die Burg monatelang belagert und insgesamt acht erfolglose Sturmangriffe mit mehr als 3000 Mann durchgeführt hatten. Napoleon besetzte die Hauptstadt Wien und drohte damit, sie komplett zu zerstören. Daraufhin musste sich Graz ergeben, die Wiener sicherten das vertraglich zu (wahrscheinlich ohne die Grazer vorher zu fragen). Die Bürger kauften allerdings den Glockenturm und den Uhrturm für 2978 Gulden und 41 Kreuzer frei, der Rest der Anlage musste von ihnen selbst komplett geschliffen werden (Napoleons Rache).

Glockenturm, 1588 erbaut, mit der berühmtesten Grazer Glocke, der „Liesl“, 1587 aus 101 türkischen Kanonenkugeln gegossen, wiegt knapp 5 Tonnen. Die Glocke schlägt dreimal täglich jeweils 101 Schläge!
Ein Major Hackher verteidigte die Burg mit 17 Offizieren und 896 Soldaten gegen Napoleon. Ihm zu Ehren wurde der Hackher-Löwe aufgestellt.
Blick auf die Stallbastei; sie wurde früher als Gefängnis, Kanonenplattform und Vorratslager genutzt. Die Mauern sind 6 Meter dick und 20 Meter hoch.

Auf der Burg gab es immer genügend Wasser, wahrscheinlich der wichtigste Grund, warum auch lange Belagerungen nicht von Erfolg gekrönt waren. Oberhalb des Glockenturms befindet sich eine große Zisterne (1544-47 gebaut), in der das Regenwasser der umliegenden Gebäude (die es jetzt nicht mehr gibt) gesammelt wurde. In einem 16 Meter tiefen Kessel befinden sich kreisförmig angeordnet fünf Brunnenschächte mit jeweils 3,6 m Durchmesser. Unterhalb der Stallbastei wurde etwas später (1554-58) noch ein 94 Meter tiefer Brunnen gegraben, der die Burganlage mit Grundwasser des Flusses Mur versorgte.

Pavillon oberhalb des Glockenturms auf der großen Zisterne
der Tiefe Brunnen unterhalb der Stallbastion
Der Ausblick auf die Stadt mit ihren roten Dächern ist sehr schön.

Schließlich kommen wir zum Uhrturm, einem der ältesten Gebäude Graz, an der höchsten Stelle der Stadtmauer gelegen. Der ursprünglich mittelalterliche Wehrturm erhielt seine heutige Gestalt um 1560, der hölzerne Umgang diente der Feuerwache. Es gibt auch eine Feuerglocke (im Bild rechts). Die beiden anderen Glocken sind die große Stundenglocke und die ganz kleine Armesünderglocke.

Blick von der Bürgerbastei hoch zum Uhrturm.

Hinunter geht es dann über die Schlossbergstiege mit ihren rund 260 Stufen. Der Weg führt am Herbersteingarten vorbei, einer Terrassenanlage mit mediterraner Bepflanzung (Feigen-, Zitronen-, Granatapfel- und Gingkobäumen).

Dann gibt es eine wohlverdiente Pause mit Orange-Ingwer-Limonade und schnellem Internet im Café Leopold unterhalb des Schlossberges.

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